Mit der rasanten Zunahme von Gesundheits- und Medizin-Apps für Smartphones und Tablets rücken neben den Vorteilen auch die Risiken stärker in den Fokus. Es bestehe die Gefahr von Fehldiagnosen – besonders, wenn Verbraucher die Programme zur Diagnostik und Therapie-Einschätzung nutzten, sagte der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Dr. Karl Broich, bei einer Tagung mit 200 Experten in Bonn. Es müsse vorgebeugt werden, dass sich Patienten nicht am Ende allein auf ihre App verließen, statt Arzt oder Apotheker aufzusuchen.
Unter den mehr als drei Millionen Apps gebe es bereits rund 87.000 Angebote für den Bereich Fitness und Wellness sowie etwa 55.000 medizinische Apps, sagte Professor Dr. Hartmut Gehring vom Uniklinikum Schleswig-Holstein. Auch im Klinikalltag würden solche Angebote genutzt, etwa, um die individuelle Dosierung von Medikamenten zu berechnen. Auch bei der Steuerung von OP-Robotern kommen sie laut BfArM zum Einsatz.
Die Grenzen zwischen Apps für den Wellness/Fitness-Bereich und zur medizinischen Anwendung sind laut Bundesinstitut oft nicht klar zu erkennen. „Patienten und Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass Apps für medizinische Zwecke klar reguliert und verlässlich geprüft werden“, so Broich. Das BfArM verstehe sich hierbei als Impulsgeber im Sinne des Gesundheitsschutzes – daher das Symposium zu Regulierungsfragen.
In puncto Anbieter-Überwachung und Kontrolle sei vieles noch ungeregelt, hieß es von Teilnehmern der Konferenz. Insgesamt 200 Vertreter der Ärzteschaft, Politik, Industrie, Forschung und Patientenverbänden sowie Juristen diskutierten Chancen und Risiken der Apps. Aus Sicht des BfArM besteht etwa das Risiko einer Fehldiagnose insbesondere dort, wo Apps zur Diagnostik und Therapieentscheidung genutzt werden, zum Beispiel zur Bilddarstellung in der ärztlichen Diagnostik, zur Bildinterpretation von Karzinomen oder auch zur Berechnung einer Medikamentendosis.
Die angebotenen Apps decken eine große Bandbreite ab: Puls- oder Blutzuckermessung, elektronische Tagebuch-Führung etwa bei Migräne oder Asthma, auch für Herz- oder Parkinson-Kranke gibt es Angebote. Für die Patienten seien sie ein guter, sinnvoller Begleiter, betonte der Bundesverband Internetmedizin. Der mündige Verbraucher könne seine Behandlung stärker in Eigenregie und daheim mitsteuern – und entscheide letztlich selbst, ob er zusätzlich einen Arzt aufsuche.
Das BfArM sprach auch von Datenschutzrisiken. Wenn zunehmend Patientendaten gesammelt, über Netze übertragen und zentral gespeichert würden, müssten auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für diesen schnell wachsenden Markt weiterentwickelt werden.
Medizinprodukte sind laut BfArM Apparate, Instrumente oder andere Gegenstände mit medizinischer Zweckbestimmung, die vom Hersteller für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind und in der Medizin eingesetzt werden. Dazu können auch Apps gehören. Medizinprodukte wirken am oder im Körper, ohne dabei wie ein Arzneimittel zum Beispiel in den Stoffwechsel des Patienten einzugreifen. Anders als Arzneimittel werden sie nicht vom BfArM zugelassen. Sie durchlaufen ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren, in dem der Hersteller nachweisen muss, dass sein Produkt sicher ist und die technischen und medizinischen Leistungen so erfüllt, wie sie von ihm beschrieben werden.
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