Tattoopigmente: Wanderung in Lymphknoten Deniz Cicek-Görkem, 05.10.2017 13:53 Uhr
Bislang ist bekannt, dass Tätowierungen aufgrund mangelnder Hygiene oder Verwendung bestimmter Pigmente zu gesundheitlichen Schäden führen können. Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) haben nun in einem internationalen Kooperationsprojekt herausgefunden, dass sich Farbpigmente in Nanopartikelgröße in Lymphknoten dauerhaft anreichern können. Die Studie veröffentlichten die Forscher im Fachjournal „Scientific Reports“.
Zur Analyse zogen die Forscher insgesamt je eine Probe von Haut und lymphatischem Gewebe von vier Verstorbenen heran, die zuvor tätowiert waren. Zwei Proben von Nicht-Tätowierten dienten als Referenz. Mittels Röntgenfluoreszenzanalyse wurden das Gewebematerial auf Pigmente untersucht. Tattoofarben bestehen aus anorganischen Metallen sowie aus deren Oxiden oder aus Polyaromaten, zu denen beispielsweise Azo-Pigmente, Diazo-Pigmente und Kupferphthalocyanine gehören. Zudem können Verunreinigungen wie Nickel, Chrom, Mangan oder Kobalt in den Farben enthalten sein.
Am zweithäufigsten wird Titandioxid (TiO2) verwendet, das auch in Lebensmittelzusatzstoffen, Sonnenschutzmitteln oder Malerfarbe zum Einsatz kommt. Im Rahmen einer Tätowierung dient TiO2 als weißes Pigment dazu, verschiedene Farbtöne zu erzeugen. Bei den Untersuchungen wurde mit Hilfe der sogenannten Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) am Europäischen Synchrotron in Grenoble (ESRF) analysiert, an welchen Stellen die farbgebenden Substanzen im Gewebe akkumulierten.
In allen Hautgewebeproben konnten die Wissenschaftler TiO2 nachweisen, das sie in Verbindung mit der Tätowierfarbe bringen. Weiterhin wurden in der Kategorie der anorganischen Substanzen Brom und Barium gefunden. Quantitativ konnten die Elemente Aluminium, Chrom, Eisen, Nickel und Kupfer in Haut und lymphatischem Gewebematerial detektiert werden. „Die Erkenntnis, dass Partikel in Nanogröße aus der Tattoofarbe abwandern können, zieht weiteren Forschungsbedarf nach sich“, erläutert Professor Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR.
Die Forscher konnten zudem zeigen, dass organische Pigmente der tätowierten Gewebeprobe (orange, rot, grün oder schwarz) von der Haut zu den Lymphknoten wanderten. Bisher war nur durch die optische Färbung der Lymphknoten bei tätowierten Personen bekannt, dass sich die Pigmente dort ansammeln können, da diese häufig die gleiche Farbe aufwiesen wie die Tätowierung. Jetzt wurden die Pigmente erstmals auf ihre chemische Zusammensetzung und Größe untersucht.
Die Wissenschaftler gehen aufgrund der Studienergebnisse davon aus, dass im Vergleich zu Mikro- vor allem Nanopartikel bevorzugt akkumuliert werden. Insgesamt kommen sie zu dem Resultat, dass Tattoo-Partikel biomolekulare Veränderungen beispielsweise in Proteinen induzieren.„Nanopartikel können sich im Körper des Menschen ganz anders verhalten, als wir es bisher bei Mikropartikeln beobachtet haben. Angesichts der großen Verbreitung und hohen Beliebtheit von Tattoos halten wir es für erforderlich, im Sinne des Verbraucherschutzes weiter zu untersuchen, wie sich die Partikel im Körper der Tätowierten verhalten.“
Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler Proben von Patienten untersuchen, bei denen aufgrund einer Tätowierung zu Unverträglichkeiten und Allergien gekommen ist. So soll der Zusammenhang zwischen der Molekularstruktur der Pigmente und den beobachteten Nebenwirkungen näher beleuchtet werden.