AstraZeneca nimmt Tagrisso vom Markt Nadine Tröbitscher, 03.11.2016 08:58 Uhr
AstraZeneca hat heute das Lungenkrebsmedikament Tagrisso (Osimertinib) in Deutschland vom Markt genommen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) konnte keinen Zusatznutzen für das Medikament erkennen. Nach diesem negativen Beschluss war es laut Hersteller nicht möglich gewesen, sich mit dem GKV-Spitzenverband auf einen akzeptablen Erstattungspreis zu einigen.
Unter den aktuellen Umständen sei ein Marktbetrieb nicht möglich, so Dirk Greshake, Geschäftsführer von AstraZeneca in Deutschland. Unverständnis herrsche über den Widerspruch zwischen der Entscheidung des G-BA und der beschleunigten Zulassung durch die Zulassungsbehörden EMA und FDA. Laut Greshake steht die Entscheidung zum Zusatznutzen im Kontrast zur klinischen Wirklichkeit. „Medikamente wie dieses preislich auf die gleiche Ebene wie Chemotherapien zu setzten, erscheint uns nicht angemessen.“
Kann der G-BA keinen Zusatznutzen feststellen, richtet sich die Preisverhandlung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB-V). Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie stellen die Obergrenze dar. Das bedeutet, dass ein innovativer Wirkstoff auf das Preisniveau von teils generischen Therapien fällt, die mehr als 20 Jahre im Markt sind. Der aktuelle G-BA Beschluss ist bis Mitte nächsten Jahres befristet, dann geht Tagrisso in die Neubewertung, hierzu werden neue Daten einer Phase-III-Studie eingereicht.
Osimertinib ist weiterhin in Deutschland zugelassen und kann über die internationalen Apotheken aus den anderen europäischen Ländern bezogen werden. Laut AstraZeneca ist es im Ausland nicht so schwierig, einen Zusatznutzen für ein in der Zulassung beschleunigtes Arzneimittel zu bekommen. Frühere Studiendaten würden den Bewertungsanforderungen von Institut für Qualität und Wirtschaft im Gesundheitswesen (IQWiG) und G-BA nicht entsprechen.
Greshake wünscht sich einen konstruktiven und offenen Austausch auf Augenhöhe. „Es kann nicht sein, dass der Mehrwert für Krebsmedikamente wie Osimertinib, für die es einen derart hohen medizinischen Bedarf gibt, nicht anerkannt wird.“ Aus seiner Sicht muss „das AMNOG hier kurzfristig nachgebessert werden.“
Osimertinib wurde speziell für eine Patientengruppe entwickelt, die unter einer Tumormutation leidet, die zu Resistenzen führt. Der Wirkstoff gehört zu den Kinasehemmern und bindet selektiv an die mutierte Variante von EGFR. Die Tabletten werden einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Ohne den Wirkstoff fehlt eine optimale, gezielte Behandlung der Patienten mit EGFR-Resistenzen.
AstraZeneca hat seinen deutschen Sitz in Wedel. Der britische Konzern verzeichnete im vergangenen Jahr einen weltweiten Umsatz von rund 25 Milliarden US-Dollar und zählt zu den weltweit führenden forschenden Herstellern.