Schmerzmittel

Opioid ohne Nebenwirkungen Nadine Tröbitscher, 05.03.2017 10:14 Uhr

Berlin - 

Verstopfung, Übelkeit, Sedierung und Suchtpotential zählen zu den klassischen Nebenwirkungen der Opioide. In einigen Krankheitsfällen wie Tumoren oder Nervenschmerzen ist eine Therapie mit den Schmerzmitteln jedoch unerlässlich. Forscher der Berliner Charité haben ein synthetisches Opioid ohne Nebenwirkungen entwickelt und die Ergebnisse im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht.

Das Schmerzmittel ohne die typischen Nebenwirkungen befindet sich am Anfang der Entwicklung. Das Präparat wurde auf der Basis pathologischer Rezeptorkonformationen entwickelt. Entstanden ist ein Opioid-Rezeptor-Agonist. Der Prototyp trägt den Namen NFEPP. Im Unterschied zu den bekannten Opioiden wirkt das neue Medikament ausschließlich im entzündeten Gewebe. Das Prinzip wurde nur für Opioide entwickelt und ist auf andere bekannte Schmerzmittel wie nicht-steroidale-Antitheumatika (NSAR) nicht übertragbar.

„Unser Prototyp zeigt eine Bindung und Aktivierung von Opioidrezeptoren ausschließlich im sauren Milieu und hemmt somit Schmerz nur in verletztem Gewebe, ohne Benommenheit, Suchtpotential oder Verstopfung hervorzurufen“, schreiben Viola Spahn und Giovanna Del Vecchio, die Autorinnen der Studie. Auf gesundes Gewebe konnten die Forscher keine Wirkung feststellen.

Bekannte Opioide würden wahllos entsprechende Rezeptoren aktivieren und so zentrale und intestinale Nebenwirkungen verursachen, so die Forscher. Computersimulationen bei niedrigem pH-Wert, der ein Kennzeichen für verletztes oder entzündetes Gewebe ist, konnten bestätigen, dass der Prototyp selektiv die peripheren Opiodrezeptoren aktiviert.

Das bekannte herkömmlich eingesetzte Opioid Fentanyl zeigt hingegen keine pH-abhängige Bindung. In vitro konnte für NFEPP eine Bindung an die G-Protein Untereinheit durch Fluoreszenz-Resonanz Energieübertragung festgestellt werden. Grund für den gezielten Angriff, ist die geringe Säuredissoziationskonstante des Wirkstoffes, der somit am Ursprung der Schmerzentstehung wirken kann.

Das neue Wirkprinzip wurde bereits an Tiermodellen getestet. Entzündete Ratten-Pfoten wurden behandelt und erste Erkenntnisse gesammelt. Schmerzen durch Entzündungen verschiedenen Ursprungs konnten nachweislich gelindert werden. Bis aus dem Prototyp ein zugelassenes Arzneimittel wird, kann noch einige Jahre dauern. Die Forscher beziffern die Zeit auf schätzungsweise sechs Jahre und mehrere Millionen Entwicklungskosten.

Erst vor Kurzem hatten Wissenschaftler ein Opioid vorgestellt, das gezielt im Schmerzzentrum des Gehirns wirkt. Die Wirksamkeit von „PZM21“ wurde bereits an Mäusen nachgewiesen. Das internationale Forscherteam um Professor Dr. Brian Kobilka von der Stanford University hatte die Forschungsergebnisse im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.