Erstkontakt in Alveolen

Symptomatisch oder asymptomatisch: Das Immunsystem entscheidet

, Uhr
Berlin -

Während einige Covid-Patienten starke Symptome oder gar schwere Verläufe entwickeln, stehen andere die Erkrankung gänzlich asymptomatisch durch. Der Grund dafür scheint im Immunsystem zu liegen, wie Forscher:innen der Universität Birmingham kürzlich im Fachjournal „Nature Medicine“ erläuterten.

Das Ausmaß der Erkrankungsverläufe von Covid-19 ist sehr unterschiedlich. Selbst junges Alter oder keine vorbestehenden Grunderkrankungen sind keine Garantie für leichte Verläufe. Offenbar scheint die Reaktion des körpereigenen Immunsystems wesentlich an der Ausprägung der Symptome und dem Ausmaß der Erkrankung beteiligt zu sein.

Das Immunsystem läuft auf Hochtouren

Gelangt Sars-CoV-2 in den Körper, trifft das Virus zunächst auf die Alveolen in den Lungen. Dadurch werden im nächsten Schritt die Makrophagen aktiviert, welche Teil des angeborenen Immunsystems sind. Damit auch die spezifische Immunantwort hilft, wandern dendritische Zellen in die umliegenden Lymphknoten – dadurch werden auch die B- und T-Zellen alarmiert. Aus dem Knochenmark werden weitere Makrophagen gebildet.

Wird Sars-CoV-2 solange abgewehrt, bis die Produktion der spezifischen Antikörper beginnt, kann es sein, dass der Erkrankte die Infektion und sein auf Hochtouren laufendes Immunsystem gar nicht bemerkt. Gelingt das jedoch nicht, kann es zu Hyperinflammationen und einem Zytokinsturm kommen. Dieser ist für die Erregerabwehr jedoch kontraproduktiv. Denn durch die überschießende Immunreaktion entsteht schließlich eine erhöhte Thromboseneigung, welche zu Komplikationen führen kann.

Die Universität Birmingham hat mithilfe des „Human Cell Atlas“ versucht herauszufinden, welche Rolle das Immunsystem bei der unterschiedlichen Ausprägung der Symptome spielt. Im Atlas werden seit 2016 alle im menschlichen Körper vorkommenden Zellen registriert – außerdem sind Daten zu Boten-RNA, Oberflächeneiweißen und Rezeptoren für verschiedene Lymphozyten enthalten. Es liegen auch Daten von 130 Personen vor, die asymptomatisch oder unterschiedlich schwer an Covid-10 erkrankt waren. Daraus lassen sich Vergleiche ziehen.

Viele Faktoren der Immunabwehr beeinträchtigt

Das Team nahm die Daten genauer unter die Lupe. Demnach zeigten sich die Unterschiede in verschiedenen Bereichen der Immunabwehr: Leichte Infektionen haben kaum zu Veränderungen in der Bronchiallavage geführt – diese zeigt den Zustand der Lungenalveolen an, die als erstes mit dem Virus konfrontiert werden. Bei schweren Verläufen konnte gezeigt werden, dass die Monozyten-Anforderung extrem erhöht war.

Auch in den dendritischen Zellen zeigten sich Unterschiede in Form einer vermehrten Aktivierung der Gene für eine Typ-I/III-Interferonantwort. Außerdem scheinen Covid-Infektionen zu einer Reaktion des Knochenmarks zu führen: Bei schweren Verläufen wurden von dort aus nicht nur die Monozyten losgeschickt, sondern auch Megakaryozyten aktiviert, welche für die Thrombozyten-Herstellung verantwortlich sind. Das Team vermutet, dass letzteres auf einen erhöhten Verbrauch von Thrombozyten bei schweren Verläufen zurückzuführen ist.

Bei den B- und T-Zellen zeigten sich ebenfalls wichtige Veränderungen: So wurden bei Patienten mit schweren Erkrankungen kaum IgA-Antikörper gebildet, obwohl vermehrt Plasmazellen vorhanden waren. IgA-Antikörper werden eigentlich als erstes produziert und bilden eine spezifische Abwehr in den Schleimhäuten. Dier Forscher:innen sehen dies als einen wichtigen Aspekt, der bei schweren Verläufen zum Tragen kommen könnte.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr aus Ressort
FDA bezweifelt Wirksamkeit
Orales Phenylephrin vor dem Aus?
Sachverständigenausschuss tagt
Notfalltherapie: OTC-Switch für Naloxon?

APOTHEKE ADHOC Debatte