Suizid: Warnhinweis für hormonelle Kontrazeptiva APOTHEKE ADHOC, 16.11.2018 14:50 Uhr
Pille fördert Suizid: Depressive Verstimmungen werden als gelegentliche, Depression als seltene Nebenwirkung in der Gebrauchsinformation hormoneller Kontrazeptiva geführt. Nach Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) sollen Fach- und Gebrauchsinformationen um die Risikofaktoren suizidales Verhalten und Suizid erweitert werden. Einen kausalen Zusammenhang konnten die Experten jedoch nicht ermitteln.
Der PRAC hat seine Signalbewertung zu hormonellen Kontrazeptiva in Bezug auf ein mögliches Risiko für Suizid und Suizidversuch abgeschlossen. Das Gremium zog für das Verfahren die im American Journal of Psychiatry veröffentlichten Studienergebnisse heran, die auch als Initiator der Bewertung gelten. Die dänische Studie untersuchte das relative Risiko für einen Suizid und Suizidversuch bei Verwenderinnen hormoneller Kontrazeptiva. Die Forscher bezogen in die prospektive Kohortenstudie von 1996 bis 2013 landesweit alle dänischen Frauen ein, die im Studienzeitraum 15 Jahre alt waren und zuvor keine psychiatrische Diagnose, Antidepressiva oder hormonelle Kontrazeptiva erhalten hatten. Es ergaben sich Daten von etwa einer halben Millionen Frauen.
Das Studienergebnis ist alarmierend: Während des Beobachtungszeitraums wurden 6999 Suizidversuche und 71 vollzogene Suizide dokumentiert. Im Vergleich zu Frauen, die noch nie ein hormonelles Kontrazeptivum verwendeten, ist das relative Risiko für einen Suizidversuch um das 1,97-Fache und für einen Suizid um das 3,08-Fache bei den Verwenderinnen erhöht. Die Risikoschätzungen unterscheiden sich für die einzelnen Produktgruppen.
Die Experten des PRAC konnten jedoch auf Basis der Gesamtheit der Daten keinen kausalen Zusammenhang ermitteln. Suizid könne jedoch als Folge einer unter hormonellen Kontrazeptiva entwickelten Depression auftreten. Aus diesem Grund soll ein neuer Warnhinweis in die Fach- und Gebrauchsinformation aufgenommen werden.
Die Fachinformationen hormoneller Kontrazeptiva sollen in Punkt „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ wie folgt erweitert werden: „Depressive Verstimmung und Depression stellen bei der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva allgemein bekannte Nebenwirkungen dar (siehe Abschnitt 4.8). Depressionen können schwerwiegend sein und sind ein allgemein bekannter Risikofaktor für suizidales Verhalten und Suizid. Frauen sollte geraten werden, sich im Falle von Stimmungsschwankungen und depressiven Symptomen – auch wenn diese kurz nach Einleitung der Behandlung auftreten – mit ihrem Arzt in Verbindung zu setzen.“
In der Gebrauchsinformationen werden die Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen erweitert. Es geht um den Punkt „Psychiatrische Erkrankungen“, der künftig wie folgt formuliert werden soll: „Manche Frauen, die hormonelle Verhütungsmittel wie {Bezeichnung des Arzneimittels} anwenden, berichten über Depression oder depressive Verstimmung. Depressionen können schwerwiegend sein und gelegentlich zu Selbsttötungsgedanken führen. Wenn bei Ihnen Stimmungsschwankungen und depressive Symptome auftreten, lassen Sie sich so rasch wie möglich von Ihrem Arzt medizinisch beraten.“
Eine repräsentative Umfrage der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) zeigte im Oktober 2017, wie sehr Frauen mit den Nebenwirkungen der Hormone zu kämpfen haben. Die Zahlen sind „alarmierend“ und „beunruhigend“. Jede zehnte Verwenderin berichtet, an einer Depression zu leiden oder gelitten zu haben. „Fast ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen gibt an, diese Nebenwirkung (gehabt) zu haben“, schreibt die Krankenkasse.