An Ostern wird bekanntlich viel genascht. Generell ist die Hemmschwelle oft niedriger, wenn zuckerfreie Produkte beworben werden, die „nur“ Süßstoffe enthalten. Eine aktuelle Studie aus Israel zeigt, dass auch diese einen Einfluss auf das Mikrobiom und den Blutzuckerspiegel haben könnten, warnt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
Ein paar Schokoladeneier über Ostern oder ein Stück Kuchen zum Geburtstag haben keine verheerenden Auswirkungen auf den Körper, der Dauerkonsum führt allerdings zu gesundheitlichen Problemen. Die Anzahl der übergewichtigen Menschen nimmt ständig zu, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes werden immer häufiger. Dabei wird von einem engen Zusammenhang mit dem Zuckerkonsum ausgegangen, sodass dieser inzwischen oft ausgetauscht wird. Um trotzdem nicht verzichten zu müssen und das Gewissen zu beruhigen, wird zum Beispiel lieber zu „Diätprodukten“ gegriffen: Hier werden statt Glucose Süßstoffe wie Sucralose und Aspartam hinzugegeben. Aber auch in vielen anderen Speisen und Getränken sind die Ersatzstoffe inzwischen zu finden.
„Dabei ging man lange Zeit davon aus, dass diese Substanzen nicht nur kalorienfrei sind, sondern sich im Körper überhaupt völlig neutral verhalten“, sagt Dr. med. Birgit Terjung, Chefärztin der Abteilung Innere Medizin der GFO Kliniken Bonn und Vorstandsmitglied der DGVS. Mittlerweile gebe es aber etliche Untersuchungen, die zeigten, dass auch die Süßstoffe den Körper nicht völlig spurlos durchqueren.
In einer Studie des Weizmann-Instituts im israelischen Rehovot wurde dies genauer untersucht: Die Forschenden um Studienleiter Eran Elinav verabreichten ihren Probandinnen und Probanden in der ersten großen Studie an Menschen jeweils zwei Wochen einen der vier Süßstoffe Saccharin, Sucralose, Aspartam und Stevia in gängigen Dosierungen. In dem Zeitraum dokumentierten sie neben möglichen Änderungen des Stoffwechsels auch den Effekt der Süßstoffe auf die Zusammensetzung und die Funktion des Mikrobioms.
Saccharin und Sucralose begünstigten demnach eine starke glykämische Antwort: Während der Glukose-Toleranztests, die regelmäßig durchgeführt wurden, stieg der Blutzuckerspiegel der Probanden deutlich stärker an als vor Beginn der Süßstoffeinnahme. „Die sogenannte Blutzuckerkontrolle, also die Fähigkeit des Körpers, den Blutzuckerspiegel auch bei Aufnahme von Glukose niedrig zu halten, war demnach unter Einfluss der Süßstoffe deutlich reduziert“, so Professor Dr. Johann Ockenga, Direktor des Klinikums Bremen Mitte und Ernährungsmediziner.
Auch die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms veränderte sich, genauso wie die Konzentration bestimmter Stoffwechselprodukte im Blutplasma der Proband:innen. Es gab Abweichungen zwischen den Süßstoffen und Individuen, „neutral“ wie zuvor angenommen, verhielt sich demnach allerdings keiner der Süßstoffe. Zur Überprüfung wurden sterile Mäuse, die selbst keinerlei Darmflora besaßen, mit der Darmflora der Versuchspersonen behandelt. Sie entwickelten laut Publikation daraufhin dieselben Auffälligkeiten bei der Blutzuckerkontrolle.
„Die Studie zeigt auf eindrückliche Weise, dass sich Süßstoffe im Körper durchaus nicht passiv verhalten“, sagt Ockenga. Vielmehr zeichneten sich vielseitige Wechselwirkungen mit dem Mikrobiom und ein deutlicher Einfluss auf das Stoffwechselgeschehen im Körper ab, so der Ernährungsmediziner.
In diese Richtung deute auch eine weitere aktuelle Studie, nach der Sucralose bei Mäusen die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen könne. Gerade angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Süßstoffen seien solche Fragen von großer Relevanz, so Terjung. Die langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit seien noch weitgehend unklar und müssten dringend genauer untersucht werden.
Auch Fructose, die häufig als Glucose-Ersatz eingesetzt wird, könne nicht als unbedenkliche Alternative zum Haushaltzucker gelten. „Eine aktuelle Studie zeigt, dass Fructose die Neubildung von Fett in der Leber sogar stärker anregt als Glucose“, sagt Terjung. Damit könne auch diese Zuckervariante zu den typischen Stoffwechsel- und Gesundheitsproblemen beitragen, die üblicherweise mit einem hohen Zuckerkonsum in Verbindung gebracht werden: Neben einem gestörten Glukosestoffwechsel und dem Typ-2-Diabetes zähle auch die Entwicklung einer nicht-alkoholischen Fettleber dazu. Naschen ganz ohne Reue scheine es also nicht zu geben, es müsse insgesamt einfach weniger Süßes gegessen werden.
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