Amylase-Trypsin-Inhibitoren

Studie: MS-Verschlechterung durch Weizen Katharina Brand, 24.01.2024 14:51 Uhr

Eine weizenarme Ernährung kann sich, laut der Studie der Universitätsmedizin Mainz, positiv auf die MS-Symptomatik auswirken. Foto: Nitr/stock.adobe.com
Berlin - 

Forschende der Universitätsmedizin Mainz konnten aufzeigen, dass eine weizenhaltige Ernährung die Erkrankungssymptome bei Multipler Sklerose (MS) verstärken kann. Dabei verstärkten die Amylase-Trypsin-Inhibitoren-Proteine (ATI-Proteine, kurz ATI), nicht aber die im Weizen enthaltenen Glutenproteine die Entzündung im Gehirn. Die Ergebnisse wurden in den Fachzeitschriften „Gut“ und „Therapeutic Advances in Neurological Disorders“ veröffentlicht. Das Forschungsteam möchte weitergehend prüfen, inwiefern eine weizenfreie Ernährung die Wirkung von Medikamenten gegen MS verbessern kann.

MS ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem das eigene Nervensystem angreift. Dabei werden gesunde Nervenzellen in einer Überreaktion zerstört. Die ersten Symptome können Gefühlsstörungen, Probleme beim Sehen sowie Lähmungen sein. Weltweit leiden etwa 2,8 Millionen Menschen an MS, in Deutschland sind es über 250.000. Die Krankheit tritt häufiger bei jungen Erwachsenen und Frauen auf. Sie wird durch verschiedene Faktoren verursacht. Dazu gehören Erbgut und Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel die Ernährung. Diese können den Verlauf der Krankheit beeinflussen.

Weizenproteine können MS verschlimmern

Forschende um Universitäts-Professor Dr. Dr. Detlef Schuppan, Direktor des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz und Professor an der Harvard Medical School, konnten nachweisen, dass Weizen in der Ernährung den Verlauf von MS verschlechtern kann. Ursächlich sind allerdings nicht die Gluteinproteine, sondern ATI; natürliche Proteine in Getreidearten wie Weizen, Gerste und Roggen.

Diese Proteine werden fast nicht verdaut und führen zu leichten Entzündungen im Darm. ATIs beschränken sich nicht nur auf den Darm. Entzündungszellen und Botenstoffe, die durch ATIs aktiviert werden, können über das Blut in andere Körperteile gelangen. Forscherinnen und Forscher haben entdeckt, dass ATIs Entzündungen in anderen Organen wie der Leber und der Lunge verstärken können.

Neu ist die Erkenntnis, dass sie auch Entzündungsprozesse im zentralen Nervensystem beeinflussen. Daher können ATIs die Symptome einer MS verschlimmern.

Studienablauf

Die Initialstudie fand am Lebenden Tier statt. Dabei fanden die Forschenden heraus, dass sich bei einer Ernährung mit 25 Prozent Weizen die MS-Symptome stark verschlechterten. Den Vergleich machte das Team zu einer Ernährung ohne Weizen. Kleine Mengen von ATI-Proteinen (0,15 Prozent des Futters) führten zu den gleichen Ergebnissen. Große Mengen an Glutenproteinen (5 Prozent des Futters) hingegen nicht.

Das Forschungsteam konnten die Ergebnisse des Tiermodells in einer klinischen Pilotstudie verifizieren. An der Studie beteiligten sich Menschen mit mittelschwerer, wenig aktiver MS. Die Probandinnen und Probanden wurden hierbei in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe folgte drei Monate lang einer Diät mit reduziertem Weizenkonsum. Die andere Gruppe aß weiterhin Weizen wie gewohnt.

Nach drei Monaten tauschten die Gruppen die Diäten und folgten dann der jeweils anderen Ernährungsweise für weitere drei Monate. Die Teilnehmenden, die weizenfrei aßen, erlebten deutlich weniger Schmerzen. Außerdem waren weniger entzündliche Immunzellen in ihrem Blut nachweisbar.

„Unsere Studien belegen, wie wichtig die Ernährung, ihre Wechselwirkungen mit dem Darmmikrobiom und dem Darmimmunsystem für die Gesundheit ist. Eine weizenfreie Ernährung kann die Schwere einer MS, wie auch anderer entzündlicher Erkrankungen mildern. Weitere Studien, die unter anderem eine weizenfreie Ernährung mit anderen medikamentösen Therapien verbinden, sind geplant“, betont Schuppan.

Neuste MS-Erkenntnisse

Die Studien zeigen, dass Ernährung und Darmgesundheit den Verlauf von entzündlichen Krankheiten wie MS beeinflussen. Besonders ist, dass der Bestandteil eines gängiges Lebensmittel wie Weizen die Entzündung vorantreibt.

„Es ist bekannt, dass bestimmte Weizenproteine entzündliche Reaktionen hervorrufen können. Dazu gehört die Zöliakie bei rund ein Prozent der Bevölkerung. Sie ist eine entzündliche Reaktion des Dünndarms auf Gluten, das Klebereiweiß des Weizens. Neu ist, dass andere Weizenproteine generell Entzündungen fördern können“, erklärt Schuppan.

„Bisher gab es jedoch keine eindeutigen Belege, dass eine weizenhaltige Ernährung auch entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems beeinflussen kann. Nun konnten wir sowohl im Tiermodell als auch in einer klinischen Pilotstudie zeigen, dass bestimmte Weizenproteine die Schwere der MS fördern können. Dabei spielen die sogenannten ATI-Proteine eine wesentlich größere Rolle als die Glutenproteine.“