Nachschlagewerke

Steinlaus, Steuerzecke und Mozart-Globuli

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Berlin -

Es ist eine Art Brauch geworden, in eigentlich seriösen Werken wie dem Brockhaus oder dem Pschyrembel sogenannte „U-Boote“ zu verstecken. Das sind scherzhaft gemeinte Einträge, die ursprünglich dazu dienten, Plagiate zu entlarven. Heutzutage sollen sie den Finder nur noch amüsieren.

Den bekanntesten Eintrag dieser Art stellt wohl die Steinlaus „Petrophagia lorioti“ dar, die im Pschyrembel verewigt wurde. Als diese in der 257. Auflage nicht mehr erschien, war die Empörung der Fangemeinde so groß, dass sie wieder aufgenommen wurde und ihr Eintrag seitdem sogar immer wieder erweitert wird. Neuerdings ist die Steinlaus sogar bei Feinstaubproblemen einsetzbar.

Erfolgversprechend ist die Therapie mit der Laus auch bei einem Leiden der Studenten der Humanmedizin, wie das Nachschlagewerk „Das zweite StEx: Basiswissen klinische Medizin für Examen und Praxis“ behauptet. Die Idiopathische maligne pampiniforme Pachygyrie (IMPP) wird dort beschrieben als „bösartige, rankenförmige Fehlbildung des Gehirns“. Erkrankte hätten „das unstillbare Bedürfnis, sinnlose Fragen zu stellen“. Außer die Steinlaus wird zur Behandlung unter anderem eine „eintägige Stoßtherapie mit vergorenen Hopfenpräparaten“ empfohlen.

Auch der Brockhaus hat sich mit der „Gemeinen Steuerzecke“ – Ixodes fiscalis – ein kleines Insekt zugelegt, das so nicht existiert. Wie der Verlag schreibt, saugt dieser Parasit „ausschließlich am Menschen“. Wer wüsste das nicht?

Doch sind nur die Mediziner so lustig? Nein – die Pharmazeuten stehen ihnen da in nichts nach. Im wichtigsten Werk zu Teedrogen und Phytopharmaka, dem „Wichtl“, findet sich tatsächlich Pasta Theobromae – die Schokolade. Sie wird dort folgendermaßen beschrieben: „Einsatz: vorwiegend in der Volksmedizin als Psychostimulans empfohlen – beispielsweise bei Unlustgefühlen und Depressionen, bei der Prüfungsvorbereitung, zur Raucherentwöhnung und als mild wirkendes Aphrodisiakum besonders für schüchterne Frauen sowie in der Kinderheilkunde als linderndes Mittel bei Tränenfluss nach kleinen Verletzungen.“

Auch die Globuli Mozartii – die Mozartkugeln – sind dort erwähnt und im Original neben verschiedenen „Generika“ abgebildet. Diese speziellen Globuli werden auch im „Mutschler Arzneimittelwirkungen“ im Kapitel Kakao behandelt.

Sollte weder eine Therapie mit der Steinlaus noch mit Schokolade oder Hopfenpräparaten zielführend für die Stimmungsaufhellung wirken, so kann man immer noch eine Kur beantragen, um sich dort einen „Schatten“ zuzulegen. Der „Pschyrembel Naturheilkunde und alternative Heilverfahren“ hat den Kurschatten folgendermaßen beschrieben: „umgangssprachlich Bez. für eine Person in einer zeitlich u. räumlich auf den Kuraufenthalt beschränkten Partnerschaft; als natürliches Mittel zur Förderung des Kurerfolges schulmedizinisch anerkannt, infolge der besonderen alternativmedizinischen Eigenheit jedoch ethischen u. familienpolitischen Bedenken ausgesetzt; wohl deswegen nicht regelmäßig Teil des Kurplans. [...] Initiativen, dies zu ändern [...], scheiterten schon in den Ansätzen am Widerstand der Krankenkassenträger u. Kirchen [...].

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