Cholesterinsenker

Statine verbessern Darmflora APOTHEKE ADHOC, 10.06.2020 14:12 Uhr

Gut für die Darmflora? In einer Analyse hatten Statine einen positiven Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmbakterien bei adipösen Menschen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Einnahme von Statinen zur Senkung des Cholesterinspiegels könnte bei adipösen Patienten auch die Darmflora verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Kohortenstudien, die im Fachjournal „Nature“ publiziert wurden.

Der Darm und die Beschaffenheit der Darmflora haben in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen: Eine Verschiebung des Darmgleichgewichtes wird mittlerweile mit verschiedenen Krankheitsbildern wie Hauterkrankungen, Typ-2-Diabetes, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Depressionen und vielem mehr in Verbindung gebracht. Auch die Forschung nimmt sich immer mehr der Thematik an.

Statine haben Einfluss auf Darmflora

Einige Medikamente können die Beschaffenheit der Darmflora beeinflussen und dazu führen, dass sich die Zusammensetzung der Bakterien verändert. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Statine hingegen scheinen einen positiven Einfluss auf die Darmflora zu besitzen, wie Forscher nun herausfanden.

Bereits vor einigen Jahren teilten Forscher die Bakterien der Darmflora in verschiedene Gruppen ein. Sie unterschieden dabei drei Enterotypen. Einer davon, der auch als „Bact2“ bezeichnet wird, geht mit einem häufigen Vorhandensein von Bacterioides-Arten einher. Diese Bakterien sind vor allem für ein starkes Spalten von Kohlenhydraten bekannt. Infolgedessen könnte es zu einer verstärkten Resorption von Einfachzuckern kommen. Diese würde erklären, warum einige Menschen eher zu Adipositas neigen als andere.

BMI beeinflusst Enterotyp

Nun analysierten Forscher in diesem Zusammenhang die Daten der „Metacardis-Kohorte“. Sie umfasst die Darmflora von 888 Personen aus Frankreich, Dänemark und Deutschland. Dabei stellten sie fest, dass der Body-Mass-Index (BMI) Einfluss auf den Enterotypen besitzt: Adpöse Teilnehmer mit einem BMI über 30 zählten in 17,73 Prozent der Fälle zum Enterotypen „Bact2“ – bei Personen mit normalem BMI waren es nur 3,9 Prozent. Eine weitere Analyse mit mehr als 2300 Teilnehmern konnte diese Ergebnisse untermauern.

Im Zuge der Untersuchungen fanden die Wissenschaftler jedoch heraus, dass bei Personen, die mit Statinen zur Cholesterinsenkung behandelt wurden, auch die Darmflora beeinflusst wurde: Adipöse Teilnehmer, die Statine einnahmen, hatten nur zu 5,88 Prozent den Enterotyp „Bact2“ und damit nicht wesentlich häufiger als Normalgewichtige.

Wie genau die Statine jedoch Einfluss auf die Darmflora nehmen, bleibt unklar. Den Forschern zufolge könnten sie entweder eine direkte Wirkung auf die Bakterien besitzen oder indirekt durch eine verminderte Entzündungsreaktion im Körper Einfluss nehmen, welche durch die Behandlung mit Statinen zustande kommt. Denkbar wäre jedoch auch, dass die Patienten mit einer Statintherapie auch andere Lebensbereiche wie beispielsweise die Ernährung verändert haben, um die Cholesterinwerte zu senken und deshalb eine Veränderung der Darmflora zustande kam.

Cholesterinsenker im Überblick

Statine gelten bisher als Standardtherapie zur Senkung der Cholesterinwerte. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind Simvastatin, Atorvastatin und Pravastatin. Sie hemmen kompetitiv das Enzym „HMG-CoA-Reduktase“ in der Leber. Dadurch kommt es zu einem verminderten LDL-Cholesteringehalt, wodurch wiederum eine kompensatorisch erhöhte Synthese von LDL-Rezeptoren in den Leberzellen erfolgt. Dadurch kann das LDL-Cholesterin in höheren Mengen in die Zellen aufgenommen werden – folglich sinkt der Serumspiegel. Es erfolgt sozusagen indirekt eine Verschiebung aus dem Blut in die Zellen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen neben Kopfschmerzen und Müdigkeit vor allem Magen-Darm-Beschwerden und Veränderungen im Blutbild. Außerdem wird bei einer Langzeittherapie ein erhöhtes Risiko, an Typ-2-Diabetes oder einer Trübung der Augenlinse zu erkranken, diskutiert. Die Einnahme der Wirkstoffe erfolgt in der Regel einmal täglich oral am Abend, da die körpereigene Cholesterinsynthese nachts am höchsten ist.

Neben den Statinen können bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie oder atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und erhöhtem LDL-Cholesterinwert auch weitere Arzneistoffe zum Einsatz kommen, wenn unter Statinen – eventuell in Kombination mit Ezetimib – keine optimalen Werte erzielt werden. Mit Evolocumab und Alirocumab stehen sogenannte „PCSK9-Hemmer“ als Reservemittel zur Behandlung hoher Cholesterinwerte zur Verfügung. Die monoklonalen Antikörper müssen alle zwei bis vier Wochen injiziert werden.

Nun konnte jedoch auch eine halbjährliche Injektion gute Ergebnisse erzielen: Beim Wirkstoff Inclisiran handelt es sich um ein modifiziertes RNA-Molekül. In den Zellen ahmt es einen natürlichen Abwehrmechanismus nach – es verhindert gezielt die Umsetzung von Genen in Proteine. Dabei fokussiert es sich auf die sogenannte „Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9“ (PCSK9) und hemmt deren Synthese in den Leberzellen. Durch die Hemmung kommt es zu einer deutlichen Senkung des Cholesterinwertes – er konnte teilweise um die Hälfte reduziert werden. Weitere Ergebnisse werden im Dezember 2024 erwartet, erste Zulassungsanträge laufen bereits in den USA und Europa.