Kaum steigen die Temperaturen und die Sonne scheint, klagen viele Allergiker:innen vermehrt über Beschwerden. Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) und die Europäische Stiftung für Allergieforschung (ECARF) beobachten seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg an verschiedenen Pollen. Demnach kommt es auch durch die Kombination mit Feinstaub zu stärkeren Symptomen.
Schaut man sich die Pollenflugdaten der vergangenen Jahre an, so war lange Zeit ein „Ausruhen“ der Pollen bei verschiedenen Baumarten zu erkennen: Auf ein besonders intensives Jahr folgte ein vergleichsweise harmloses Jahr. Seit den letzten zehn Jahren ist jedoch bei Hasel und Erle – zwei der Hauptauslöser von Allergiesymptomen – kein „Ausruhen“ mehr erkennbar, berichtet Pneumologe und Allergologe Professor Dr. Karl Christian Bergmann.
Seit 2010 gebe es eine starke Zunahme und einen ständigen Anstieg an Gräserpollen in der Luft. Diese würden nicht nur bei Allergiker:innen für Beschwerden sorgen. Auch bei Personen ohne bekannte Allergien, käme es zu Atembeschwerden oder gar Lungenfunktionsstörungen. Neben Gräsern zählt die Birke zu den Hauptverursachern von Heuschnupfen und allergischem Asthma: Mehr als 10 Millionen Erwachsene und 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche sind in Deutschland von den Allergien betroffen. Besonders brisant sei die Kombination mit Feinstaub – beispielsweise in Großstädten: Denn dadurch entstehe insgesamt eine höhere Allergenität mit stärkeren Symptomen, so Bergmann.
„Der Pollenflug hat mit einem Paukenschlag begonnen“, erklärt Diplom-Landschaftsökologe Matthias Werchan. Zwar habe es zum Jahreswechsel immer mal Pollenflug gegeben, diesmal sei es aufgrund der warmen Temperaturen um Silvester jedoch besonders gewesen. „Das lässt die Natur nicht kalt“, so der Experte. Bei Mildphasen gehe es daher oft im Winter schon mit dem Pollenflug los. Die Minusgrade im Januar und Februar hätten die Aktivität dann nochmal etwas abgebremst.
Dass es so früh zu so hohen Pollenkonzentrationen komme, sei eine „neue Qualität der Pollensaison“. „Wäre es nicht nochmal abgekühlt, wäre die Erle schon dazugekommen. Die steht dafür jetzt in den Starlöchern“, so Werchan. Besonders in Gebieten mit Sonnenschein und milden Temperaturen müssen sich Allergiker:innen daher bereits auf Symptome einstellen.
Ab kommender Woche wird von der PID der neue Pollenflugkalender mit aktualisierten Daten aus 2016 bis 2021 zur Verfügung gestellt. Er unterteilt den Pollenflug verschiedener Bäume und Gräser in Hauptblüte, Vor- und Nachblüte sowie mögliches Vorkommen, sodass Allergiker:innen einen Anhaltspunkt haben und sich gegebenenfalls auf Beschwerden vorbereiten können. „Viele Bäume blühen sehr viel früher“, erklärt Werchan. Bei Gräsern hingegen könne dies nicht so extrem beobachtet werden, da sie nicht so auf die wärmeren Temperaturen reagieren. Baumann erläutert, wie der stärkere Pollenflug zu erklären ist: Die Pflanzen würden durch die Temperaturschwankungen in Stress geraten. „Um ihre Art zu erhalten, werden dann mehr Pollen produziert.“
Professor Dr. Torsten Zuberbier sieht die steigenden Beschwerden vor allem mit der modernen Lebensweise assoziiert. Das Immunsystem reagiere schneller, wenn sich Feinstaub auf den Pollen befinde. Die Umweltverschmutzung durch Feinstaub spiele daher eine wesentliche Rolle. Neben der Häufigkeit nehme auch der Schweregrad der Symptome immer weiter zu. Außerdem komme es häufiger als noch vor einigen Jahren zu Kreuzallergien zwischen Pollen und Lebensmitteln, so Zuberbier. Dennoch würden Allergien noch immer zu sehr verharmlost, obwohl die Beschwerden das Allgemeinbefinden deutlich verschlechtern können.
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