Wissenschaftler der Michigan State University haben eine neue Art embryonaler Stammzellen entdeckt. Durch die Induzierung von adulten Hautzellen konnten sie erstmals zeigen, dass sowohl pluripotente Stammzellen als auch embryonale XEN-Zellen entstehen können. Normalerweise treten diese ausschließlich bei ungeborenen Kindern auf. Damit erhoffen sich die Forscher Einsichten, wie Geburtsfehler und andere reproduktive Probleme entstehen und behandelt werden können.
Ein Zufallsfund brachte die Forscher auf die Spur der neuen Zellen. Die Gruppe der Michigan State University versucht neue Wege zu finden, um pluripotente Stammzellen zu erzeugen und zu nutzen. Bislang mussten solche Zellen aus embryonalem Gewebe gewonnen werden – eine ethisch umstrittene Methode, die nur unter strengen Auflagen möglich ist.
Um diesem Dilemma zu entgehen, konzentriert sich die Forschung auf die Umprogrammierung adulter in pluripotente Zellen. Sie werden aus Hautzellen gewonnen und sollen weitere adulte Zellen induzieren, die sich dann zum passenden Gewebe weiterentwickeln. So kann zum Beispiel ein Patient mit defekter Leber durch eigene Zellen therapiert werden: Dem Patienten werden gesunde Zellen entnommen und zu pluripotenten Zellen umprogrammiert. Diese können dann im Gewebe der Leber heranwachsen und ihre neue Funktion dort übernehmen. Durch die Behandlung mit körpereigenen Zellen können Abstoßungsreaktionen vermieden werden, wie sie bei Organtransplantationen auftreten können.
Das Problem dabei: Immer wieder tauchten Zelltypen in der Kultur auf, die sich anders verhielten als die gewünschten Zellen, die erst mühsam entfernt werden mussten. Als der Doktorand Tony Parenti und seine Kollegen sich die Zellen jedoch genauer anschauten, erkannten sie das enorme Potenzial. „Wir haben praktisch Gold im Müll gefunden. Andere Wissenschaftler haben die Zellen bereits gesehen, sie aber als defekte oder krebsartige Zellen klassifiziert“, erklärt er. In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Stem Cell Reports“ beschreiben die Autoren diese Zellen nun im Detail.
Sie fanden heraus, dass durch die Reprogrammierung der Hautzellen nicht nur pluripotente Zellen entstanden waren, sondern auch sogenannte XEN-Zellen. Dieser Stammzell-Typ hat besondere Eigenschaften: Während die normalen, pluripotenten Zellen die Entwicklung von Körperzellen beinhalten, produzieren die XEN-Zellen extraembryonales Gewebe. Damit spielen sie nur eine indirekte, allerdings essentielle Rolle in der Entwicklung des Fötus. So wird vermutet, dass der Embryo besser vor äußeren Einflüssen geschützt wird. Beim erwachsenen Menschen kommen sie nicht vor, weil sie für die Zellentwicklung außerhalb des Mutterleibes nicht benötigt werden – so bislang die Auffassung.
Mehr noch: Durch gezieltes Ausschalten der XEN-Gene konnte die Produktion herunter- und die Menge der pluripotenten Zellen heraufreguliert werden. Damit besteht die Möglichkeit, beide Zelltypen unabhängig voneinander zu produzieren und jeweils für die gewünschten Zwecke zu nutzen. In wieweit XEN-Zellen auch für die Behandlung von erwachsenen Menschen genutzt werden können, ist noch unklar. Durch die Genmanipulation bei der Induzierung von Stammzellen sei es aber nun möglich, pluripotente Zellen mit weniger Aufwand zu produzieren als zuvor.
Fest steht außerdem, dass der neu gefundene Zelltyp für weitere Forschung eine große Rolle spielen könnte. XEN-Zellen besitzen Eigenschaften, die pluripotente Stammzellen nicht haben, so die Wissenschaftler. Das könnte neue Erkenntnisse über den Verlauf und die Ursachen von Reproduktionskrankheiten bringen, so die Hoffnung. Das Forscherteam will daher noch weitere Erkenntnisse sammeln, wie das XEN-Zellgewebe die Entwicklung des Fötus beeinflusst.
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