Altersgrenze für Doxylamin: Geht es nach dem Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SVA), sollen Antihistaminika der ersten Generation mit sedierender Wirkung für Patienten über 65 Jahren rezeptpflichtig werden. Bei der Stada trifft der geplante altersabhängige OTC-Switch auf Unverständnis – weil man ihn pharmakologisch nicht nachvollziehen kann.
Die Experten der Pharmakovigilanz bei der Stada haben sich genauer mit der Thematik befasst und die Nebenwirkungsdatenbanken von Doxylamin genauer unter die Lupe genommen. „Wir nehmen die Argumentation und die vermuteten Risiken anticholinerg-wirkender Medikamente sehr ernst“, teilt das Unternehmen mit. Daraufhin wurden sowohl das firmeneigene Register als auch die EU-Datenbank nach typischen Symptomen einer anticholinergen Wirkung in Korrelation zur Altersgruppe recherchiert.
„Bei den meisten Symptomen lässt sich anhand der Altersverteilung der Nebenwirkungen keine Aussage über ein erhöhtes Risiko treffen“, teilt Stada mit. Dabei gelte es zu beachten, dass Verzerrungen durch alterstypische Erkrankungen sich ebenfalls in den Ergebnissen niederschlagen können. Die Experten der Pharmakovigilanz konnten Meldungen für Miktionsprobleme/-drang, also eine im Alter häufig anzutreffende Einschränkung, die sich unter anderem in Harnverhalt, Stressblase oder Harndrang äußert, nur für Patienten über 76 Jahren ausmachen.
Die Experten kommen zu dem Schluß: „Als generelle Aussage aus den Pharmakovigilanz-Daten kann abgeleitet werden, dass selbst bei hohen Dosen oder längerfristigem Gebrauch (Einzelfälle sind in der PV-Datenbank dokumentiert) die Nebenwirkungen transient und im Vergleich zu anderen Schlafmitteln als milde zu betrachten sind.“ Die aktuelle Literaturrecherche sowie die Überprüfung der Nebenwirkungsdatenbanken habe keine validen Daten geliefert, die ein erhöhtes Risiko der Einnahme von Doxylamin für Patienten über 65 belegen.
Zu dem Ergebnis kam auch der SVA im vergangenen Jahr, denn der partielle Rx-Switch für Doxylamin und Diphenhydramin stand schon im Juni auf der Agenda. Die Experten hatten ebenfalls die europäische Nebenwirkungsdatenbank EudraVigilance zur Recherche herangezogen und nach den Nebenwirkungsbegriffen Sturz, Gleichgewichtsstörung, Gangstörung, Verwirrtheitszustand und Delirium gesucht. Diese wurden einmal gesamt und einmal für die Altersgruppe 65+ ermittelt.
Daraus ergaben sich für Doxylamin insgesamt neun Fallberichte bei der Altersgruppe 65+, davon acht mit der Angabe Überdosierung, von denen sechs eine suizidale Absicht hatten. Für Diphenhydramin liegen insgesamt sieben Fallberichte bei den Älteren vor, davon fünf in suizidaler Absicht. Der SVA kam im Sommer zu dem Schluss: „Die Anzahl der Berichte zu Nebenwirkungen bei Älteren sind insgesamt eher unauffällig.“ Zudem äußerten die Experten, dass die Praktikabilität einer Altersbegrenzung 65+ fraglich erscheine. „Die pauschale Unterstellung von derzeit apothekenpflichtigen Antihistaminika der ersten Generation ist aus Sicht des BfArM bei derzeitiger Datenlage nicht unmittelbar ableitbar.“
Ende Januar wandte sich das Blatt, der SVA empfahl mehrheitlich die Altersgrenze 65+. Weil die Substanzen nicht spezifisch für den H1-Rezeptor sind, können sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden und zentrale Nebenwirkungen wie Schwindel oder Müdigkeit verursachen. Laut Priscus-Liste besteht bei Doxylamin eine erhöhte Sturzgefahr für ältere Patienten. Diphenhydramin soll zudem im Zusammenhang mit kognitiven Beeinträchtigungen älterer Personen stehen. Zudem scheinen ältere Menschen unter Diphenhydramin ein erhöhtes Risiko für Delir-Symptome aufweisen.
APOTHEKE ADHOC Debatte