Bis ein neues Arzneimittel auf den Markt kommt, können viele Jahre vergehen. Hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen, geht es schnell. Binnen drei Monaten gibt die EU-Kommission die endgültige Entscheidung ab. Dann ist es am Zulassungsinhaber, ob und wann das neue Arzneimittel auf den Markt kommt. Manchmal dauert es einen Tag, manchmal Wochen oder Monate und einige Arzneimittel werden den Patienten nie zur Verfügung stehen. Wir haben eine Auswahl der Innovationen 2019 zusammengestellt.
Die forschenden Pharma-Unternehmen vfa rechnen 2019 mit mehr als 30 neuen Arzneimitteln. Etwa ein Drittel der Innovationen werden voraussichtlich Krebsarzneimittel sein. Im Bereich der Onkologie liegt ein Zulassungsantrag für eine organübergreifende Tumorbekämpfung bei Mutationen im NTRK-Gen vor. Dies könnte das erste zugelassene Krebsarzneimittel mit gen- statt organbezogenem Anwendungsgebiet sein. Aber auch mehrere Antibiotika und HIV-Medikamente zählen zu den Hoffnungsträgern.
Alunbrig (Brigatinib, Takeda) ist als Monotherapie zur Behandlung von anaplastischem Lymphomkinase (ALK)-positivem fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs indiziert (NSCLC), der zuvor mit Crizotinib behandelt wurde. Der Wirkstoff ist ein Proteinkinase-Inhibitor, der die Autophosphorylierung der ALK hemmt sowie die ALK-vermittelte Phosphorylierung von nachgeschalteten Signalproteinen und Proliferation von ALK-abhängig Krebszellen. Alunbrig wird nach Angaben des Herstellers der einzige ALK-Hemmer in der EU sein, der einmal täglich und unabhängig von der Nahrungszufuhr eingenommen werden kann.
Dengvaxia (tetravalenter Dengue-Lebendimpfstoff, Sanofi) könnte zur Prävention von Dengue-Fieber, verursacht durch die Dengue-Virus-Serotypen 1 bis 4, auf den Markt kommen. Indiziert wäre die Vakzine für Personen im Alter zwischen neun und 45 Jahren, die in einem gefährdeten Gebiet leben oder bereits zuvor an Dengue-Fieber erkrankt waren.
Doravirin ist der Hoffnungsträger von MSD Sharp & Dohme wenn es um die Behandlung von HIV-1-Infektionen geht. Im November hatte der Konzern die EU-Zulassung für ein Mono- sowie ein Kombinationspräparat mit Doravirin erhalten. Der nicht-nukleoidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) verändert die Bindungsstelle so, dass die katalytische Funktion der reversen Transkriptase unterbunden wird und sich das Virus nicht vermehren kann. Das Überschreiben der viralen RNA in DNA bleibt aus. Doravirin soll als Monopräparat unter dem Namen Pifeltro zu 100 mg auf den Markt kommen. Die Einnahme erfolgt einmal täglich – mit oder ohne Mahlzeit. Pifeltro wird in Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen zur Behandlung von HIV-1-Infektionen angewendet. Indiziert ist der Arzneistoffen zur Therapie von erwachsenen Patienten unabhängig vom Nachweis von Resistenzen gegen die Substanzklasse. Delstrigo ist die Kombination aus Doravirin (DOR,100 mg), Lamivudin (3TC, 300 mg) und Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF, 245 mg) und wird ebenfalls einmal täglich eingenommen. 3TC und TDF gehören ebenfalls zur Gruppe der NRTI und bewirken einen DNA-Kettenabbruch. Delstrigo ist zugelassen für die Behandlung einer HIV-1-Infektion bei erwachsenen Patienten.
Erleada (Apalutamid, Janssen-Cilag) wurde die Zulassung für die Behandlung des nicht metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinoms bei erwachsenen Männern empfohlen, wenn ein hohes Risiko für metastatische Erkrankungen besteht. Apalutamid besitzt andiandrogene Eigenschaften und bindet als selektiver Androgen-Rezeptor-Antagonist, an der Ligandenbindungsstelle des Rezeptors. Die Interaktion zwischen Androgen-Rezeptor und DNA bleibt aus.
Ibalizumab ist Hoffnungsträger von Biogen. Das Unternehmen hat im August für den Arzneistoff einen Zulassungsantrag gestellt. Der gentechnisch hergestellte Wirkstoff kann zur HIV-Therapie eingesetzt werden, wenn andere Therapien versagt haben. Der monoklonale Antikörper richtet sich gegen die Oberflächenrezeptoren CD4, GP120 und GP41. In den USA wurde bereits im März 2018 eine Zulassung erteilt.
Luxturna (Voretigen neparvovec, Spark Therapeutics) hat im November die EU-Zulassung erhalten und ist die erste Gentherapie bei nachgewiesener biallelische Mutationen im RPE65-Gen. Die Therapie könne die Sehkraft wieder herstellen und verbessern. Der Adeno assoziierte Virus Vektor wird subretinal injiziert. Die Adenoviren infizieren die Zellen und es wird eine Kopie des Gens eingebracht.
Mulpleta (Lusutrombopag/Shionogi) ist indiziert zur Behandlung einer schweren Thrombozytopenie bei Erwachsenen mit einer chronischen Lebererkrankung, die invasiven Verfahren unterzogen werden und hat im Dezember eine Zulassungsempfehlung erhalten. Der Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten wirkt auf die Transmembrandomäne der TPO-Rezeptoren und induziert die Proliferation und Differenzierung der Megakaryozyten-Vorläuferzellen. Folge ist die Thrombozytopenese.
Namuscla (Mexiletin, Lupin Neurosciences) wurde zur Behandlung von erwachsenen an nicht-dystrophe Myotonie erkrankter Patienten im Oktober zur Zulassung empfohlen. Mexiletin ist eine bekanntes Antiarrhythmikum, das bereits in den 70er Jahren eine EU-Zulassung erhalten hat. Die Wirksamkeit ist auf eine Blockade von Natriumionenkanälen der Muskelzellen zurückzuführen. Natriumkanäle spielen bei der Muskelkontraktion und -relaxation eine entscheidende Rolle. Sind die Ionenkanäle blockiert, werden die Zahl der Kontraktionen und die Steifheit reduziert.
Rizmoic (Naldemedin, Shionogi) wurde eine Zulassungsempfehlung zur Behandlung einer Opioid-induzierten Obstipation (OIC) bei erwachsenen Patienten, die zuvor mit einem Abführmittel therapiert wurden, ausgesprochen. Naldemedin ist ein peripher wirkender µ-Opioid-Rezeptor-Antagonist. Die Wirkung entfaltet sich an Geweben im Magen-Darm-Trakt ohne Opioid-Effekte auf das zentrale Nervensystem. Das Präparat vermag die spontanen Stuhlbewegungen der Betroffenen zu erhöhen.
Vabomere (Meropenem-Trihydrat/Vaborbactam, Rempex London) hat im November vom CHMP eine Zulassungsempfehlung erhalten. Das Arzneimittel ist indiziert bei einer komplizierten Harnwegsinfektion (HWI) einschließlich Pyelonephritis, komplizierten intraabdominalen Infektionen, Krankenhauspneumonie einschließlich ventilatorassoziierter Pneumonie, Bakterien im Blut, die mit einer dieser Infektionen assoziiert sind, sowie bei Infektionen durch aerobe gram-negative Organismen mit eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten. Die Anwendung ist bei allen Indikationen für Erwachsene gedacht. Vabomere ist eine feste Kombination aus Vaborbactam, einem neuen β-Lactamase-Hemmer, und Meropenem, einem Breitspektrum-Antibiotikum aus der Klasse der Carbapeneme, das bereits in der EU zugelassen ist.
Veyvondi (Vonicog alfa, Shire/Baxalta) hat im August für die Behandlung des Van-Willebrand-Faktor (VWF)-Syndroms die Zulassungsempfehlung erhalten. Der Wirkstoff ist indiziert, wenn Desmopressin allein nicht ausreichend wirksam ist. Vonicog alfa ist ein rekombinanter humaner VWF und besitzt die Fähigkeit, die Blutplättchenadhäsion am Endothel an der Stelle der Schädigung des Blutgefäßes wiederherzustellen und den Faktor-VIII-Mangel zu korrigieren. Veyvondi könnte zur Behandlung und Prävention von Blutungen, die im Rahmen einer Operation auftreten, eingesetzt werden. Das Arzneimittel könnte als Injektionslösung zu 650 beziehungsweise 1300 I.E. auf den Markt kommen.
Zemdri (Plazomicin, Achaogen) könnte ein neues Antibiotikum gegen resistente Bakterien sein. Im Oktober wurde die Zulassung für die Behandlung komplizierter Harnwegsinfekte, inklusive Pyelonephritis, Blutstrom und andere Indikationen aufgrund von Enterobacteriaceae gestellt. Das Breitbandantibiotikum aus der Klasse der Aminoglykoside kann zur Behandlung resistenter gramnegativer Bakterien inklusive Carbapenem-resistenter Enterobakterien und MRSA eingesetzt werden.
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