SGLT2-Inhibitoren: Lebensgefährliche Infektionen möglich APOTHEKE ADHOC, 23.01.2019 09:06 Uhr
In einem Rote-Hand-Brief wird über das Risiko einer Fournier Gangrän – einer seltenen, aber schweren und potentiell lebensgefährlichen Infektion – unter einer Therapie mit Hemmern des natriumabhängigen Glukosetransporters Typ 2 (SGLT-2) informiert.
Canagliflozin (Invokana, Janssen, wird derzeit in Deutschland nicht vermarktet), Dapagliflozin (Forxiga und Xigduo (Kombination mit Metformin), AstraZeneca), Empagliflozin (Jardiance, Boehringer Ingelheim) und Ertugliflozin (Steglatro und Steglujan (Kombination mit Sitagliptin), MSD) sind zur Behandlung von Diabetes Typ 2 indiziert. SGLT2-Hemmer blockieren den Natrium-Glukose-Cotransporter-2 in der Niere. Sie erhöhen die Glukose-Ausscheidung über den Urin und senken so den Blutzuckerspiegel. Der Wirkmechanismus ist unabhängig von der Insulinausschüttung und Insulinwirkung im Körper. Hierdurch wird überschüssige Glucose mit dem Urin ausgeschieden und es kommt zu einer Reduktion der Blutzuckerwerte.
Nach der Markteinführung wurden Meldungen von Fällen einer nekrotisierenden Fasziitis des Leisten- und Genitalbereiches mit der Einnahme eines SGLT2-Hemmers in Verbindung gebracht. Einer Fournier Gangrän können urogenitale Infektionen oder perineale Abzesse vorausgehen. Das Ereignis wurde bei allen Vertretern der SGLT2-Inhibitoren berichtet. Zwar ist Diabetes selbst ein Risikofaktor für die Entstehung einer Fournier Gangrän, allerdings konnte in einigen Fällen nach der Markteinführung der Stoffgruppe eine Verbindung zwischen Arzneimittel und unerwünschtem Ereignis hergestellt werden.
Die potentiell lebensbedrohliche Infektion tritt fast ausschließlich bei Männern auf. Patienten, die einen SGLT2-Hemmer anwenden und unter starken Schmerzen, Druckschmerzen, Erythemen, Schwellungen im Genitalbereich oder im Bereich des Perineums leiden, die von Fieber oder Unwohlsein begleitet werden, sollen einen Arzt aufsuchen. Besteht der Verdacht auf eine Fournier Gangrän, sollten das Antiabetikum abgesetzt und die Infektion unverzüglich behandelt werden.
Die Produktinformationen der Arzneimittel werden entsprechend geändert und die Fournier Gangrän als Nebenwirkung in Abschnitt 4.8 aufgenommen. Analog wird es eine Änderung der Fachinformation in Abschnitt 4.4 geben. In den USA wurde ein Warnhinweis zur Fournier Gangrän bereits im August in die Fachinformation aufgenommen.
Für das in Deutschland nicht erhältliche Canagliflozin wurde 2017 über ein erhöhtes Risiko von Zehenamputationen berichtet. Die Langzeitstudie Canvas (Canagliflozin Cardiovascular Assessment Study) zeigte ein erhöhtes Risiko für die Amputation der unteren Extremitäten. Bislang ist für Dapagliflozin und Empagliflozin kein erhöhtes Risiko für Amputationen bekannt und die Datenlage lückenhaft. Dennoch kann ein Gruppeneffekt der Wirkstoffe nicht ausgeschlossen werden. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) empfiehlt daher, einen Warnhinweis in die Produktinformationen aller SGLT-2-Hemmer aufzunehmen. Die Patienten, die mit den Wirkstoffen behandelt werden, sollten auf die Notwendigkeit einer routinemäßigen Fußpflege aufmerksam gemacht werden.
Für Canagliflozin gelten zusätzliche Empfehlungen. Amputationen der unteren Extremitäten sollen als gelegentliche Nebenwirkung angegeben werden. Das heißt, dass ein Risiko bei ein bis zehn Patienten von 1000 besteht. Patienten mit einem erhöhten Risiko sollten überwacht und auf eine ausreichende Hydration hingewiesen werden. Treten Infektionen oder Geschwüre an den Füßen auf, sollte die Behandlung mit Canagliflozin nach Abwägung abgebrochen werden.