Je mehr Arzneimittel ältere Patienten einnehmen, desto weniger ist ihnen die jeweilige Indikation des Wirkstoffs bekannt. Das ergibt eine Studie der Universität Maastricht, die im Fachjournal „Age und Ageing“ veröffentlicht wurde. Mit der Mulitmedikation verschreibungspflichtiger Präparate sinke die Therapieadhärenz der älteren Patienten, heißt es. Ältere, die in Partnerschaften leben, hätten den Forschern zufolge Vorteile gegenüber Alleinlebenden.
Die Daten wurden über Fragebögen und Heiminterviews erhoben. 754 multimorbide Patienten, die 60 Jahre oder älter waren und mehr als fünf Präparate zeitgleich einnahmen, wurden zu ihrer Medikation befragt. Dazu interviewten Krankenschwestern die ausgewählten Probanden, die zuvor zur Teilnahme der Studie einwilligten.
Evaluiert wurden die Informationen mittels der Methode „Multiple Logistic Regression“, nach der Wahrscheinlichkeiten berechnet werden. Dabei steht das Wissen über die Indikation der Arzneimittel als eine Variable anderer erklärender Variablen wie Geschlecht, Alter, Bildungsgrad und Lebenssituation gegenüber. Unter anderem waren 17 Apotheker an der Auswertung beteiligt.
Laut der Studie nehmen ältere Patienten im Durchschnitt zwei bis neun verschreibungspflichtige und ein bis zwei Arzneimittel ohne Rezept ein. Das Einnehmen mehrerer Medikamente erhöhe das Risiko für Nebenwirkungen, und ältere Patienten seien aufgrund ihrer Pharmakokinetik und Pharmakodynamik anfälliger für unerwünschte Wirkungen. Außerdem weichen Patienten von ihrer verschriebenen Therapie ab, wenn die Zahl der einzunehmenden Präparate steige. Therapietreue hängt maßgeblich vom Wissen der Indikation ab, sagen die Wissenschaftler.
„Richtig“, „Falsch“ und „Weiß ich nicht“ waren die Antwortmöglichkeiten: Eine Indikation eines Wirkstoffs wurde als richtig klassifiziert, wenn der Patient sagen konnte, für welchen Zweck oder zumindest für welches Organ das Arzneimittel bestimmt war. Zum Beispiel: Bei der Anwendung von Statinen galt sowohl die Antwort „für mein Cholesterin“ als auch „für mein Herz“ als korrekt. 113 von 754 Probanden konnten korrekte Angaben zu den Indikationen all ihrer verordneten Medikamente machen, also rund 15 Prozent.
Gründe, dass Patienten nicht wüssten, warum sie welche Medikamente nehmen: Hohe Anzahl an Arzneimitteln, Alter über 80 Jahre und männliches Geschlecht. Senioren, die zwar unabhängig, aber mit einem Partner zusammenlebten, schnitten bei der Befragung generell besser ab. Die Forscher fanden allerdings keinen Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und Medikamentenwissen.
Die Studienautoren schlussfolgern, dass es Wege gibt, das Bewusstsein der Patienten für den Sinn und Zweck ihrer Arzneimittel zu schärfen. Einige Patienten würden von eindeutigen Erklärungen durch ihren Arzt, ihre Schwester oder ihren Apotheker profitieren. Texte, grafische Symbole und Farben auf den Verpackungen von Medikamenten könnten ebenso die Indikationen verdeutlichen. Bei Patienten, die nicht eigenständig die Wirkung ihrer Arzneien kennen, sollen Ärzte zudem einen Ansprechpartner – ein Familienmitglied oder einen gut informierten Pflegeheimmitarbeiter – heranziehen, sobald es notwendige Mitteilungen zu der Verordnung gibt.
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