Selen/Colecalciferol: Arzneimittel im Abseits Nadine Tröbitscher, 08.12.2016 12:09 Uhr
Arznei- oder Nahrungsergänzungsmittel? Vitamine und Spurenelemente können zu beiden Gruppen zählen. Die Folge sind mitunter unterschiedliche Höchstmengen in der Abgabe. Betroffen sind unter anderem Präparate mit Selen und Vitamin D (Colecalciferol). Hier ist in Nahrungsergänzungsmitteln teilweise mehr Wirkstoff erlaubt als in den apothekenpflichtigen Produkten. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht stellt im Januar die Grenzen auf den Prüfstand.
Colecalciferol ist als Arzneimittel auf 1000 I.E. pro abgeteilter Form gedeckelt; alle höherdosierten Produkte sind verschreibungspflichtig. Als Nahrungsergänzungsmittel sind jedoch Präparate mit bis zu 4000 I.E. erhältlich, dies entspricht der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) pro Tag für zulässig erklärten Menge. Eine Indikation darf dabei nicht angegeben werden.
Das Problem: Vitamin D wird von immer mehr Verbrauchern bei Müdigkeit, Infektanfälligkeit und Antriebslosigkeit als ersten Anzeichen einer Unterversorgung eingesetzt. Die Arzneimittel sind jedoch dafür nicht zugelassen, sondern nur zur Vorbeugung von Rachitis und Osteomalazie bei Kindern und Erwachsenen, zur Prävention von Rachitis bei Frühgeborenen sowie zur „Vorbeugung bei erkennbarem Risiko einer Vitamin-D-Mangelerkrankung bei ansonsten Gesunden ohne Resorptionsstörung bei Kindern und Erwachsenen“. Außerdem können die Tabletten eingesetzt werden zur unterstützenden Behandlung der Osteoporose bei Erwachsenen.
Das sind keine Indikationen, die Verbraucher im Beipackzettel lesen wollen, die sich eigentlich nur etwas Gutes tun wollen. Für Hersteller wie Merck ist die Situation – medizinische Indikation und gleichzeitig geringere Dosierung – daher doppelt unbefriedigend. Vor einem Jahr war der Marktführer wegen seiner Werbeaussagen sogar schon in eine juristische Auseinandersetzung geraten. Der Darmstädter Konzern hat daher neben der Rx-Variante für Säuglinge (Vigantol) und den klassischen Vigantoletten neuere Produkte wie die Sticks oder aktuelle Vigantolvit als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt gebracht.
Ähnlich sieht die Situation bei Selen aus. Das apothekenpflichtige Cefasel mit 50 µg etwa ist zugelassen bei „nachgewiesenem Selenmangel, der ernährungsmäßig nicht behoben werden kann“. Das Nahrungsergänzungsmittel Cefasel Nutri in den Stärken 50, 100 und 200 µg unterstützt dagegen nach Herstellerangaben allgemein „die normale Funktion des Immunsystems und der Schilddrüse“ und ist „wichtig zum Schutz der Zellen vor oxidativen Schäden, zur Erhaltung normaler Haare und Nägel und zur normalen Spermabildung“.
Das essentielle Spurenelement ist Bestandteil wichtiger Enzyme und dient im Körper als Radikalfänger. Es besitzt somit eine antioxidative Wirkung. Wichtige Stoffwechselfunktionen und die Bildung des Schilddrüsenhormons sind vom Selengehalt im Körper abhängig. Selen kann sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken und wird als Begleittherapie bei Krebspatienten eingesetzt.
Ein Selenmangel kann über einen Bluttest festgestellt werden, der Test ist jedoch meist kostenpflichtig. Liegt der Wert zwischen 120 und 160 µg, gemessen im Vollblut, spricht man von einem gesunden Spiegel. Zur Erhaltung oder Substitution stehen Präparate zwischen 50 und 200 µg zur Verfügung. Eingenommen werden die Tabletten einmal täglich, zeitlich versetzt zu Vitamin C, da das Vitamin die Aufnahme von Natriumselenit negativ beeinflussen kann.
Der Sachverständigenausschuss hat beide Stoffe auf die Tagesordnung für seine nächste Sitzung genommen. Es geht um den Angleich der zulässigen Höchstmengen, was also sehr wahrscheinlich auf eine Anhebung des Grenzwertes hinauslaufen wird.