Patient:innen mit Vorhofflimmern erhalten leitliniengerecht in den meisten Fällen Antikoagulantien. Bei gleichzeitiger Einnahme von Diltiazem oder Verapamil kann das zu einem ernsthaften Problem führen: Das Risiko für schwere Blutungen steigt drastisch an, wie eine im Fachjournal „Jama“ publizierte US-Studie zeigt.
Laut der neuen Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Europäischen Vereinigung für Herz-Thorax-Chirurgie (EACTS) wird Patient:innen bei bestehendem Schlaganfallrisiko zunächst eine direkte orale Antikoagulanz (DOAK) verabreicht. Dabei ist Vorsicht geboten, wenn Betroffene gleichzeitig mit Diltiazem therapiert werden.
Der Kalziumkanalblocker erhöht in Kombination mit DOAK das Risiko für schwere Blutungen drastisch, wie ein Forscherteam um Dr. Wayne A. Ray vom Department of Health Policy der Vanderbilt University School of Medicine in Nashville berichtet. Die Studienergebnisse basieren auf einer Analyse von Krankenversicherungsdaten von mehr als 200.000 älteren Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern. Sie wurden mit Apixaban oder Rivaroxaban antikoaguliert und erhielten zur Frequenzkontrolle entweder Diltiazem oder den Betablocker Metoprolol.
Das Blutungsrisiko sei vor allem erhöht, wenn die Diltiazem-Dosis über 120 mg am Tag liegt. Der Grund: „Diltiazem verhindert die Verstoffwechslung und Ausscheidung der DOAK, was zu einer übermäßigen Antikoagulation führen kann“, so die Forschenden. Belegt werden konnte, dass, wenn die Dosis initial über 120 mg pro Tag lag, das Risiko für schweren Blutungsereignisse um 29 Prozent erhöht war. Im Vergleich zu niedrigeren Dosen dagegen nur um 13 Prozent.
Auch bei dem Wirkstoff Verapamil sei Vorsicht geboten: „Der Kalziumkanalblocker Diltiazem spielt in Deutschland eine untergeordnete Rolle, wir verwenden historisch bedingt häufiger Verapamil, das aber ebenfalls das Leberenzym CYP3A4 inhibiert und P-Glykoproteine hemmt“, so Dr. Philipp Sommer, Direktor der Klinik für Elektrophysiologie und Rhythmologie, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum. „Es ist zu befürchten, dass auch unter dem in Deutschland gängigeren Verapamil die Blutungsneigung ansteigt, wenn die Patienten gleichzeitig ein DOAK erhalten – was mittlerweile bei den meisten Standard sein dürfte.“
Der Experte gibt jedoch zu bedenken: „Methodisch ist die Studie nicht unkritisch, da es sich um eine retrospektive Auswertung von Krankenversicherungsdaten handelt. Aber bei mehr als 200.000 Teilnehmenden werden viele Zufälle und andere Kausalitäten ausgeglichen“, so Sommer. „Und das Ausmaß, in dem die Blutungsereignisse zunahmen, ist so groß, dass die Ergebnisse durchaus ernst genommen werden müssen – insbesondere da es sich um schwere Blutungen, auch mit Todesfolge handelte.“
In Deutschland und den USA ist das Mittel der Wahl zur Frequenzkontrolle gleichermaßen ein Betablocker. „Bei Betablockern besteht das Problem der Interaktion mit DOAKs nicht“, so Sommer. „Aber der Kalziumkanalblocker Verapamil ist das erste Ausweichpräparat, wenn es für den Betablocker eine Kontraindikation gibt, etwa eine schwere COPD oder allergisches Asthma.“
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