Schützen SSRI vor schweren Verläufen? Cynthia Möthrath, 18.11.2021 10:00 Uhr
Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Fluoxetin war bereits im vergangenen Jahr in den Fokus der Covid-Forschung gerückt: Es zeigte sich, dass die Substanz – zumindest in vitro – Sars-CoV-2 bereits in geringen Dosen an der Vermehrung hindern kann. Nun gibt es neue Studiendaten, die eine mögliche Wirksamkeit untermauern.
SSRI werden in der Regel gegen Depressionen und Angststörungen verordnet. Fluoxetin und andere Vertreter der Wirkstoffgruppe inhibieren den Serotonin-Transporter, welcher normalerweise dafür verantwortlich ist, den Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt herauszubefördern. Außerdem bewirken SSRI eine gesteigerte Serotonin-Freisetzung durch die selektive Hemmung bestimmter Rezeptoren. Die Konzentration von Serotonin wird somit erhöht, typische Symptome der Depression werden gelindert.
Studien aus den USA zeigen, dass Patient:innen, die wegen Covid-19 in einer Notfallambulanz oder stationär behandelt und mit einem SSRI therapiert wurden, eine höhere Überlebenschance hatten. In einer ersten randomisierten Studie zeigte sich bereits, dass Fluvoxamin bei Patient:innen im Frühstadium von Covid-10 das Risiko auf einen schweren Verlauf verringerte. In der kürzlich veröffentlichten Studie „Together“ wurden Patient:innen durch die Behandlung mit Fluoxetin vor einer Hospitalisierung geschützt.
Weniger Todesfälle unter SSRI
Die neusten Studiendaten der Stanford University School of Medicine in Palo Alto zeigen, dass auch andere SSRI wirksam sein könnten. Insgesamt wurden die Daten von mehr als 83.500 Erwachsenen ausgewertet, die zwischen Januar und September 2020 wegen Covid-19 in der Notfallambulanz oder stationär behandelt wurden. Rund 3400 von ihnen hatten aufgrund von Vorerkrankungen ein SSRI verordnet bekommen – 470 von ihnen erhielten Fluoxetin, die anderen Fluvoxamin oder ein anderes SSRI.
Es zeigte sich, dass Patient:innen, die unter der Wirkung von SSRI standen, seltener an der Covid-Infektion starben. Vor allem bei Fluoxetin war der Effekt erkennbar: Nur 9,8 Prozent starben in dieser Gruppe gegenüber 13,3 Prozent ohne SSRI-Einnahme. Das relative Risiko war damit signifikant. Umgerechnet könnte Fluoxetin dem Team zufolge das Sterberisiko um 28 Prozent gesenkt haben.
Fluoxetin könnte somit ein potenzieller Kandidat zur Behandlung von Covid-19 im Frühstadium sein. Sicher ist dies jedoch bislang nicht. Es fehlen weitere Studiendaten, die die Hinweise untermauern und belegen. SSRI hätten den Vorteil, dass sie bereits auf dem Markt sind und in größeren Mengen verfügbar sind. Außerdem wären die Behandlungskosten vergleichsweise gering.