Cannabis wird bei verschiedenen Krankheitsbildern eingesetzt, wobei der behandelnde Arzt entscheidet, wann und wie das Arzneimittel dem Patienten helfen soll. Die Verwendung des Medizinalhanf aus der Apotheke ist gesetzlich nicht an eine Indikation gebunden, die Studienlage ist verbesserungswürdig. Eine prospektive Kohortenstudie australischer Wissenschaftler legt nun nahe, dass die Symptome chronischer Schmerzen durch den Konsum von Cannabis nicht verbessert werden. Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Lancet Public Health“ nachzulesen.
Mit der Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken – in einigen Ländern auch zu Genusszwecken – ist das „Gras“ vermehrt in den Fokus wissenschaftlicher Forschung gerückt. Den enthaltenen Cannabinoiden werden vielfältige Wirkungen zugesprochen, nicht alle sind in randomisierten kontrollierten Studien bewiesen worden. Doch was kann die Pflanze alles? Antworten zu dieser Frage wurden im vergangenen Jahr in der Capris-Studie präsentiert, die das Potenzial und die Risiken von Cannabis evaluierte.
Dabei wurde der aktuelle Forschungsstand zum Thema Cannabis durch eine wissenschaftliche Analyse von in den letzten zehn Jahren publizierten Daten erhoben. Es hatte sich gezeigt, dass Cannabis-Arzneimittel bei der Behandlung chronischer Schmerzen gegenüber Placebo überlegen waren. Die Schmerzreduktion betrug allerdings mindestens 30 Prozent. Evidenz gab es für eine leichte Schmerzreduktion, für eine substantielle Schmerzreduktion um mindestens 50 Prozent gab es keine Belege.
Die aktuelle Studie „Pain and Opioids in Treatment“ geht einen Schritt weiter und stellt die generelle Schmerzreduktion bei chronischen Schmerzen infrage. Die Forscher haben die Auswirkungen des Cannabiskonsums über einen Zeitraum von vier Jahren an 1514 Teilnehmern beobachtet, die an chronischen Schmerzen litten, die nicht auf Tumore zurückzuführen waren. Dr. Gabrielle Campbell und ihr Team vom Nationalen Drogen- und Alkoholforschungszentrum (NDARC) der Universität von New South Wales in Sydney analysierten die Wirkung des Cannabiskonsums auf die Schmerzschwere von Patienten, die verschreibungspflichtige Opioide eingenommen hatten.
Die Forscher bewerteten die Einschränkung der Lebensqualität, Gründe für den Cannabiskonsum und die Effektivität von Cannabis aus Sicht der Patienten. Zudem untersuchten sie auch die Zusammenhänge zwischen Dosis und Schmerz sowie zwischen Dosis und der psychischen Gesundheit der Teilnehmer. Ein weiterer Fokus waren die „möglichen Opioid-vermeidenden Wirkungen von Cannabis“. Die Teilnehmer wurden zu Beginn der Studie befragt und wurden jährlich bis zum Ende der Studie mit Telefoninterviews oder Fragebögen verfolgt. Die Interviews beinhalteten Fragen zur Häufigkeit von Cannabiskonsum im vergangenen Jahr und im vergangenen Monat sowie Fragen zu Depressionen und Angstzuständen.
Obwohl die Anwendung von Cannabis im Patientenkollektiv üblich war, fanden die Forscher keine Evidenz dafür, dass Cannabis bessere Behandlungsergebnisse für den Patienten liefert. Campbell und ihr Team fanden keinen Hinweis auf eine zeitliche Beziehung zwischen Cannabiskonsum und Schmerzstärke. Sie beobachteten das Gegenteil: „Menschen, die Cannabis konsumiert haben, hatten stärkere Schmerzen.“ Dennoch berichteten die Patienten über „wahrgenommene Vorteile“ durch den Konsum von Cannabis.
Aufgrund der Nebenwirkungen von Opioiden und des hohen Suchtpotenzials wenden sich Forscher und Patienten nun medizinischem Cannabis als potenziell sicherere Alternative zu. Oft geht die Anwendung von Cannabis mit der Hoffnung einher, dass zusätzliche verordnete Schmerzmittel wie Opioide reduziert werden können. Laut den Wissenschaftlern um Campbell gebe es hierzu keine Evidenz, „dass Cannabiskonsum den Konsum verschriebener Opioide reduziert oder die Absetzraten der Opioide erhöht.“
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