Thrombozytenaggregationshemmung

Schlangengift statt ASS

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Berlin -

Arzneimittel zur Blutverdünnung gibt es reichlich. Der Nachteil dieser Substanzen liegt insbesondere in der erhöhten Blutungsneigung. Forscher der National Taiwan University in Taipei haben einen neuen Wirkstoff aus einem Schlangengift entwickelt, der eine Thrombozytenaggregation ohne die gefürchtete Nebenwirkung ermöglicht.

Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Tur-Fu Huang hat in einer Studie mithilfe chromatographischer und biochemischer Methoden eine Hexa-/Decapeptid-Untereinheit (Troα6/Troα10) des Proteins Trowaglerix aus dem Toxin der Tempelotter (Tropidolaemus wagleri) synthetisiert und im Hinblick auf die Thrombozytenaggregation untersucht. Aus früheren Studien war bekannt, dass das Gift zu Thromben führt, in dem es die Aggregation der Thrombozyten stimuliert. Trowaglerix interagiert mit dem Kollagenrezeptor Glykoprotein VI (GPVI), das auf der Oberfläche der Thrombozyten vorkommt und eine bedeutende Rolle bei der Kollagen-induzierten Aktivierung und Aggregation der Blutplättchen spielt.

Die Wissenschaftler um Huang fanden bisher heraus, dass Thrombozyten, die kein GPVI exprimieren, keine Thromben ausbilden und folglich auch nicht mit einer erhöhten Blutungsneigung einhergehen. Dies ist bei Menschen der Fall, bei denen der Rezeptor aufgrund einer Genmutation nicht mehr in der Lage ist, die Thrombozytenaggregation zu aktivieren. Die bisherigen Erkenntnisse führten daher zur Hypothese, dass eine Hemmung von GPVI die Bildung von Blutgerinnseln verhindern könnte – ohne das Risiko der unerwünschten Wirkung.

Die im Fachjournal „Arteriosclerosis, Thrombosis and Vascular Biology“ veröffentlichten, aktuellen Studienergebnisse zeigen, dass die Derivate des Schlangenproteins (Troα6/Troα10) eine antithrombotische Wirkung haben, in dem sie als GPVI-Hemmer fungieren. Im Mausmodell konnten die Forscher beobachten, dass die Bildung von Blutgerinnseln signifikant verlangsamt wurde, ohne die Blutungszeit zu verlängern. Auch in Tests mit Humanblut kam es nicht zur Verklumpung.

Troα6/Troα10 kann als als Grundlage für die Erforschung neuer Arzneistoffe mit blutverdünnenden Eigenschaften dienen. Dafür sind allerdings weitere präklinische Studien an Tieren notwendig. Für spätere klinische Studien am Menschen sei zudem eine Optimierung des Moleküls zwingend erforderlich. Denn um Nebenwirkungen zu vermeiden müsse sichergestellt werden, dass die Substanz nur mit GPVI interagiere und nicht andere Proteine angreife.

Das entwickelte Molekülgerüst hat jedoch auch einen Haken: Es wird schnell abgebaut und hat daher keine ausreichende Wirkdauer. „Deshalb müssen vermutlich weitere Techniken entwickelt werden, die dafür sorgen, dass die Substanz länger im menschlichen Körper verbleibt“, sagt Jane Tseng, eine der Co-Autorinnen der Studie.

Die bisher auf dem Markt verfügbaren Inhibitoren des Glykoproteinrezeptors sind nicht gegen GPVI, sondern gegen GPIIb/IIIa gerichtet. Diese Substanzen bergen – wie auch die anderen Thrombozytenaggregationshemmer mit einem unterschiedlichen Wirkmechanismus – die Gefahr eines erhöhten Blutungsrisikos. Der monoklonale Antikörper Abciximab und der nicht peptidische Antagonist Tirofiban sind zum Beispiel GPIIb/IIIa-Hemmer, die die Bindung von Fibrinogen und anderen Molekülen an den Rezeptor von aktivierten Thrombozyten verhindern und so die Thrombozytenaggregation hemmen. Auch Eptifibatid, ein synthetisches zyklisches Heptapeptid, hat den gleichen Wirkmechanismus.

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