Der Einsatz von Schlafmitteln bei Kindern und Kleinkindern wird derzeit medial stark diskutiert. Welche Risiken bestehen aus pharmazeutischer Sicht, wie wirken die eingesetzten Substanzen und welche Alternativen gibt es? Ein Überblick.
Bereits 2012 informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über vermehrte Meldungen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen in Zusammenhang mit der Einnahme von Schlafmitteln bei Kindern. Die im Fokus stehenden Substanzen sind H1-Antihistaminika der ersten Generation: Doxylamin, Diphenhydramin und Dimenhydrinat.
Im Gegensatz zu den neueren Generationen der Allergiemittel überwinden diese Substanzen die Blut-Hirn-Schranke und entfalten so eine zentral beruhigende und antiemetische Wirkung. Doxylamin kann ab dem 6. Lebensmonat eingesetzt werden, Diphenhydramin ab einem Körpergewicht von 8 kg und Dimenhydrinat sogar schon ab 6 kg.
Rezeptfrei in der Apotheke erhältlich ist ein Schlafsaft namens Sedaplus (CNP Pharma) mit 2,5 mg Doxylaminsuccinat pro Milliliter. Säuglinge erhalten davon 2,5 ml (6,25 mg) pro Dosis, Kleinkinder bis zu 5 ml (12,5 mg). Zum Vergleich: Eine Tablette Hoggar Night (Stada) enthält 25mg vom Doxylamin-Salz.
Doch auch einige Zäpfchen gegen Übelkeit, die für Kinder geeignet sind, enthalten H1-Antihistaminika: Emesan K Zäpfchen (20 mg Diphenhydramin-HCl, Aristo), Vomex A Zäpfchen (40 mg Dimenhydrinat, Klinge), Vomacur-Zäpfchen (40 mg Dimenhydrinat, Hexal). Die verschiedenen Wirkstoffe besitzen keine äquivalente Potenz.
Ein Risiko besteht im Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) sowie „paradoxen Reaktionen“. So führen diese Wirkstoffe, die eigentlich zur Beruhigung gedacht sind, teilweise zu Unruhe, Halluzinationen, Angst und Krämpfen. Die größte Gefahr besteht jedoch durch das mögliche Auftreten einer Atemdepression, wenn die Medikamente überdosiert werden. Das Kind kann das Bewusstsein verlieren und einen Atemstillstand erleiden. Sobald Anzeichen sonderbarer Wirkungen in Verbindung mit der Einnahme eines H1-Antihistaminikums festgestellt werden – etwa Verwirrung – sollte umgehend ein Arzt hinzugezogen werden. Darüber informierte auch der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte.
Teilweise werden auch homöopathische Zäpfchen zur Beruhigung der Kinder eingesetzt. Allen voran Viburcol N von Heel. Die Suppositorien enthalten neben Kamille und Breitwegerich auch homöopathische Zubereitungen aus Tollkirsche (Atropa belladonna) und Wiesenkuhschelle (Pulsatilla pratensis). Letztere sind toxisch, sofern nicht verdünnt. Da der Verdünnungsgrad jedoch nur einer „D2“ entspricht (Verdünnung 1:100), ist streng auf die Dosierungsanleitung zu achten. Säuglinge dürfen maximal 1 Zäpfchen pro Tag bekommen. Eine Langzeitanwendung sollte vermieden werden.
Ebenso wie die H1-Antihistaminika ruft Tollkirsche anticholinerge Wirkungen im Körper hervor. Zu diesen gehören Mundtrockenheit, Pupillenerweiterung, Harnverhalt, Obstipation, trockene/warme Haut und Tachykardie. Daher wird empfohlen, das Arzneimittel nur unter sorgfältiger Abwägung der Risiken anzuwenden.
Alternativen zur Medikation sind in erster Linie ein Besuch bei der Schlafberatung sowie der Schreiambulanz. Eine Umstellung des Tagesablaufes und ausreichend körperliche Aktivität erhöhen das Schlafbedürfnis des Kindes. Auch eine Verkürzung des Mittagsschlafes kann in Erwägung gezogen werden, sodass der Schlafbedarf eher in der Nacht gedeckt wird.
Liegen andere Gründe für Schlafprobleme vor wie etwa Koliken, Zahnen oder psychische Belastungen, sollten in erster Linie diese behandelt werden.
Weitere Tipps aus der Apotheke: Lavendelöl wirkt beruhigend auf die Kinder. Eine Fußmassage mit verdünntem Lavendelöl oder die gelegentliche Gabe von Globuli auf Hafer-Basis sind eine schonende Alternative. Damit die Eltern genug Schlaf bekommen, sollte auch regelmäßig die Verwandtschaft herangezogen werden. Ohne ausreichend Schlaf steigt der Stresslevel der Eltern enorm und dies beunruhigt auch das Kind.
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