Zigaretten gibt es ab 18 – aber nur mit Ausweis. Künftig ist der Altersnachweis auch in der Apotheke Pflicht, denn einige Schlafmittel soll es nur noch bis 65 ohne Rezept geben. Wer älter ist, sieht alt aus, denn geht es nach dem Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SVA), fallen Doxylamin und Diphenhydramin in Monopräparten ab Erreichen der Altersgrenze unter die Verschreibungspflicht. Praktikabel ist diese Entscheidung nicht – weder für Ärzte und Apotheker, noch für Patienten, kommentiert Nadine Tröbitscher.
Autofahren ist bis ins hohe Alter kein Problem. Für den Führerschein gibt es keine Altersbegrenzung und auch keine Pflicht zur Auffrischung – trotz mehrerer Vorstöße hat sich noch niemand an dieses heikle Thema herangewagt. Der Grund ist einfach: Auch wenn im Alter das Reaktionsvermögen bekanntermaßen nachlässt, ist eine Abgrenzung nur schwer möglich, weil man mit 80 noch genauso fit sein kann wie mit 65. Letztere Zahl stammt übrigens aus dem alten Rentenrecht – und ist schon diesbezüglich längst überholt.
Wer sich wann und wie lange selbst hinter das Steuer setzt, liegt also in der eigenen Verantwortung. Bei Schlafmitteln aus der Gruppe der Antihistaminika der 1. Generation sieht die Sache anders aus. Die eigene Entscheidung zählt über 65 Jahren nicht mehr, dann muss bei Ein- und Durchschlafstörungen der Arzt entscheiden.
Das Doxylamin und Diphenhydramin sedierende Eigenschaften besitzen, ist bekannt. Auch auf der Priscus-Liste mit 83 Wirkstoffen, die für ältere Patienten als ungeeignet eingestuft werden, sind die Arzneistoffe seit langem zu finden. Es bestehen Bedenken hinsichtlich anticholinierger Effekte, Schwindel, EKG-Veränderungen sowie einem erhöhtem Sturzrisiko.
Die Nebenwirkungsmeldungen aus Deutschland in der europäischen Datenbank EudraVigilance sind bei Älteren allerdings „insgesamt eher unauffällig“. Außerdem sind im Markt zahlreiche Arzneistoffe mit sedierender Wirkung ohne Altersbeschränkung erhältlich. Dazu gehören Hustenstiller wie Dextromethorphan, Antiemetika wie Dimenhydrinat oder Antihistaminika wie Cetirizin.
In der Praxis ist die partielle Verschreibungspflicht nur schwer umzusetzen. Wer will schon bei Verdacht auf Erreichen der Altersgrenze nach dem Ausweis fragen? Zum 65. Geburtstag gratulieren und bei der Gelegenheit mitteilen, dass nun Schluss ist mit Hoggar & Co. Wer das Schlafmittel nicht mehr selbst bekommt, schickt das Kind oder den Enkel. Der schwindelt dann eben.
Über Sinn oder Unsinn lässt sich also streiten. Abgesehen davon, dass laut aposcope-Umfrage ältere Patienten ohnehin bereits häufig mit einem Rezept kommen: Das Substanzrisiko wird nicht minimiert, wenn Ärzte den Patienten die gewohnten Mittel weiter verordnen. Im ungünstigsten Fall wird stattdessen auf Benzodiazepine und Z-Substanzen ausgewichen, für die laut Priscus-Liste ebenfalls ein erhöhtes Sturzrisiko besteht – plus verzögertes Reaktionsvermögen, Depression, psychische Reaktionen oder erhöhtes Hüftfrakturrisiko.
Nehmen wir den über 65-Jährigen also eine wichtige Therapieoption der Selbstmedikation und treiben sie im Extremfall sogar in die Arzneimittelabhängigkeit? Oder kann der Arzt Risiken tatsächlich besser erkennen und sogar verhindern? Nach den bisherigen Erfahrungen sieht es nicht danach aus: Nach Schätzungen gibt es hierzulande etwa eine Million Menschen, die Benzodiazepine missbräuchlich verwenden – der bestehenden Rezeptpflicht zum Trotz.
Ist 65+ für Schlafmittel also eine Altersgrenze, die – außer Testkäufern, versteht sich – niemand braucht? Ja, und genau das hatte der SVA im Sommer auch so entschieden, denn da stand der Rx-Switch bereits auf der Agenda. Warum sich das Blatt ein halbes Jahr später wandelt, ist nicht zu verstehen. Dass es in der Apotheke mit Altergrenzen massive Probleme geben kann, hat der SVA übrigens selbst erkannt: Während die Altersgrenze bei Doxylamin und Diphenhydramin gezogen wird, soll diese parallel bei den Triptanen Almotriptan und Naratriptan wegen fehlender Praktikabilität abgeschafft werden.
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