Scabioral: Import wegen Engpass Nadine Tröbitscher, 23.10.2017 13:12 Uhr
Krätze auf dem Vormarsch, orale Therapie im Rückzug: Vor wenigen Tagen musste das Johanniter-Krankenhaus in Bonn eine Station als Vorsichtsmaßnahme schließen. Die einzige in Deutschland zugelassene orale Therapie gegen Scabies ist derzeit nicht lieferbar. Was also tun, wenn eine Therapieoptionen wegfällt?
Bereits im vergangenen Jahr warnten Dermatologen, die Krätze sei wieder auf dem Vormarsch. Die parasitäre Hauterkrankung wird von der Krätzmilbe ausgelöst. Die Weibchen der kleinen Spinnentiere graben sich Gänge in die obere Hornschicht der Haut. Dort werden dann die Eier abgelegt und nach dem Schlüpfen beginnt der Lebenszyklus erneut. Neben den Eiern werden auch Kotballen in den Gängen angelegt, die wiederum zu Immunreaktionen führen können. Es kommt zu Entzündung, Juckreiz und stecknadelkopfgroßen Knötchen. Übertragen werden die Parasiten durch intensiven Hautkontakt.
Zur Behandlung stehen verschiedene Optionen zur Verfügung. Seit Mai 2016 ist Scabioral 3 mg (Ivermectin, Infectopharm) für den deutschen Markt zugelassen und hat Notimporte unnötig gemacht. Als orale Therapie stand zuvor nur Stromectol als Einzelimport aus Frankreich nach § 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) zur Verfügung. Im September meldete Infectopharm jedoch Probleme für Scabioral beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Laut Hersteller „besteht ein produktionsbedingter Lieferengpass“ für das verschreibungspflichtige Arzneimittel. Nähere Angaben wollte das Unternehmen auf Nachfrage nicht machen. Ein Ende des Engpasses wird für Dezember erwartet.
Sollen Betroffene mit Ivermectin behandelt werden, muss die Apotheke wieder auf einen Einzelimport ausweichen, sofern noch Ware über die internationalen Apotheken verfügbar ist. Ilapo kann ab November die Packung zu vier Tabletten wieder liefern – zehn und 20 Stück sind jedoch vom erschöpften Kontingent nicht betroffen. Da jedoch ein deutsches Äquivalent auf dem Markt ist, gibt es trotz des Lieferengpasses eine rechtliche Grauzone. Apotheken sollten im Falle eines Rezeptes über Scabioral bei der Kasse eine Kostenübernahme vorab beantragen. Die Lieferverträge können sich regional unterscheiden. In Berlin muss beispielsweise bei den Ersatzkassen ein Antrag auf Genehmigung inklusive dreier Kostenvoranschläge eingereicht werden. Bei der AOK ist zwar eine Genehmigung Pflicht, aber es sind keine Angaben zur Menge der Kostenvoranschläge zu finden. Alternativ können Apotheken die Verordnung als Privatrezept behandeln, da eine unverzügliche Versorgung der Patienten Priorität hat.
Auch wenn die orale Therapie derzeit nur über einen Umweg zu erhalten ist, besteht laut Inefectopharm „kein Grund zur Sorge vor einer fehlenden Therapierbarkeit“. Die Leitlinie sieht eine topische Therapie vor mit dem Ziel, Milben, Larven und Eier abzutöten. Mittel der ersten Wahl ist Permethrin, enthalten in Infectoscab 5 Prozent von Infectopharm. Die Creme kann die im Stratum corneum lokalisierten Parasiten abtöten. Das Arzneimittel wird einmalig am ganzen Körper aufgetragen und nach acht bis zwölf Stunden abgeduscht.
Ivermectin ist Mittel der zweiten Wahl und soll bei Nichtansprechen auf Permethrin eingesetzt werden. Betroffene nehmen 200 µg/kg KG ein. Die Einnahme sollte mindestens zwei Stunden vor oder nach einer Mahlzeit erfolgen. Bei einem Gewicht zwischen 51 und 65 Kilogramm sind das entsprechend vier Tabletten zu 3 mg. Mittel der ersten Wahl ist die orale Therapie nur bei immunsupprimierten Patienten, stark ekzematöser oder erosiver Haut oder wenn aus diversen Gründen wie körperlicher Behinderung eine topische Therapie nicht möglich ist.
Der Arzneistoff bindet mit hoher Affinität an Glutamat-gesteuerte Chloridkanäle der Nerven- und Muskelzellen von Krätzmilben und erhöht somit die Durchlässigkeit der Membran für Chloridionen. Es kommt zu einer Hyperpolarisation der Zellen und schließlich zu Lähmung und Absterben der Parasiten. Säugetiere besitzen hingegen keine Glutamat-gesteuerten Chloridkanäle.