Zu viel Salz ist ungesund, das ist allgemein bekannt. Dass das Würzmittel bei übermäßigem Konsum auch negativ auf das Immunsystem wirken kann, belegten deutsche Wissenschaftler:innen in Zusammenarbeit mit einer belgischen Universität. Die Ergebnisse könnten interessant für neue Therapieansätze bei Autoimmun- und kardiovaskulären Erkrankungen sein.
Wird zu viel Salz über die Nahrung aufgenommen, kann sich das negativ auf das Immunsystem auswirken, berichten Wissenschaftler:innen des VIB Center für Entzündungsforschung und der Universität Hasselt in Belgien und dem Max Delbrück Center in Berlin im Fachjournal „Cell Metabolism“. Dabei schwächt ein erhöhter Salzkonsum die Energieversorgung von regulatorischen T-Zellen (kurz Tregs). Diese sind ein wesentlicher Bestandteil des adaptiven, also angelernten Immunsystems. Dabei tragen Tregs zur Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen normaler Funktion und überschießender Entzündung bei beispielsweise Infekten bei.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine Salzaufnahme von etwa 6 Gramm täglich, das entspricht einem Teelöffel. In der Realität sieht das anders aus: Männer in Deutschland nehmen im Schnitt 10 Gramm Salz und Frauen 8,4 Gramm pro Tag auf. Etwa 70 Prozent der Frauen und 80 Prozent der Männer hierzulande konsumieren zu viel Salz. Etwa die Hälfte der Männer und mehr als ein Drittel der Frauen nehmen sogar mehr als 10 Gramm Salz am Tag zu sich und damit deutlich mehr als empfohlen wird. Dies ergab eine vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Auftrag gegebene Studie.
Dabei ist längst ausreichend belegt, dass ein übermäßiger Salzkonsum nicht nur den Blutdruck und das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigt. Denn ein hoher Salzkonsum erhöht das Risiko für Bluthochdruck. Das kann zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen bis hin zu Schlaganfall und Herzinfarkt. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) liegt mit den Empfehlungen zum Salzkonsum sogar deutlich unter denen der DGE: 5 Gramm Salz täglich. Eine Reduzierung der Salzzufuhr gelte laut WHO als entscheidender Schritt zur weltweiten Bekämpfung von nicht übertragbaren Erkrankungen. Das Würzmittel kann laut den neuesten Erkenntnissen aber auch negative Auswirkungen auf die Regulation des adaptiven Immunsystems haben.
Schon vor einigen Jahren konnte ein deutsch-belgisches Team belegen, dass zu viel Salzkonsum den Stoffwechsel und die Energiebilanz bestimmter Zellen des angeborenen Immunsystem negativ beeinflussen kann. Anhand der Ergebnisse konnte gezeigt werden, dass Salz einen direkten Einfluss auf die Kraftwerke der Zellen hat – den Mitochondrien. Dadurch können Monozyten und Makrophagen nicht mehr richtig funktionieren.
Professor Dominik Müller vom Max Delbrück Center und Experimental and Clinical Research Center einer gemeinsamen Einrichtung von der Charité-Universitätsmedizin Berlin und Max Delbrück Center sowie Professor Markus Kleinewietfeld vom VIB Center für Entzündungsforschung und der Universität Hasselt in Belgien und ihre Kolleg:innen haben nun erneut untersucht, ob übermäßiger Salzkonsum bei Zellen des adaptiven Immunsystems wie den regulatorischen T-Zellen (Tregs) ein ähnliches Problem auslösen könnte.
Eine Fehlfunktion dieser Tregs könnte Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose auslösen. „Die Beobachtungen bei Autoimmunpatient:innen und unsere Ergebnisse, dass Salz die Funktion der Mitochondrien bei Monozyten und Makrophagen einschränkt, waren unser Ausgangspunkt. Wir haben wir uns gefragt, ob ähnliche Probleme in den Tregs gesunder Proband:innen auftreten können“, so Müller, Leiter der Arbeitsgruppe „Hypertonie-vermittelter Endorganschaden“ am Max Delbrück Center und am ECRC.
Die aktuelle internationale Studie konnte nachweisen: Salz stört die Treg-Funktion, indem es die Energieerzeugung in Mitochondrien hemmt. Zudem verändert es den zellulären Stoffwechsel. Der Eingriff in die Zellkraftwerke sei offenbar der erste Schritt, wie Salz die Treg-Funktion stört und zu Veränderungen in der Genexpression führt, so die Forscher:innen. Ähnliche Vorgänge finden sich bei dysfunktionalen Tregs bei Autoimmunerkrankungen wieder. Auch bei nur kurzzeitiger Unterbrechung der Mitochondrienfunktion hatte dies in verschiedenen Versuchsmodellen langanhaltende Folgen für die Leistungsfähigkeit und die immunregulierende Kapazität der Tregs. Salz könnte so möglicherweise zur Fehlfunktion der Tregs bei verschiedenen Krankheiten beitragen. In weiteren Studien soll dies bestätigt werden.
„Die Faktoren und die molekularen Mechanismen besser zu verstehen, die zur Fehlfunktion der Tregs bei Autoimmunität beitragen, ist eine zentrale Frage auf diesem Gebiet. Da Tregs auch bei Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle spielen, könnte die Aufklärung solcher durch Salz ausgelösten Effekte neuartige Ansätze eröffnen, um die Treg-Funktion bei verschiedenen Krankheiten zu verändern“, so Kleinewietfeld, der das VIB-Labor für Translationale Immunmodulation leitet. „Es sind jedoch noch weitere Studien erforderlich, um die molekularen Mechanismen genauer zu verstehen und ihre potenziellen Zusammenhänge mit Krankheiten zu ergründen.“
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