Routine-Impfungen: Kinder verpassen wichtige Immunisierungen Sandra Piontek, 05.08.2022 11:15 Uhr
Aktuelle Erhebungen von UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass die Impfrate zwischen 2019 und 2021 von 86 Prozent auf 81 Prozent gesunken ist. Die aktuellen Zahlen bestätigen, dass im vergangenen Jahr 25 Millionen Kinder mindestens eine oder mehrere Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten verpasst haben. Das sind zwei Millionen mehr als 2020 und sechs Millionen mehr als 2019. Dadurch sind mehr Kinder durch vermeidbare Infektionskrankheiten gefährdet.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen Säuglingen und Kleinkindern eine Grundimmunisierung mittels Sechsfach-Impfung gegen Tetanus, Pertussis, Diphterie, Polio, Hib und Hepatitis B. Seit Juni 2020 empfiehlt die STIKO das folgende 2+1-Impfschema (drei Teilimpfungen):
- erste Impfung im Alter von zwei Monaten (ab acht Wochen)
- zweite Impfung acht Wochen später im Alter von vier Monaten (Abstand von acht Wochen)
- dritte Impfdosis im Alter von elf Monaten, Abstand zur zweiten Impfdosis mindestens sechs Monate
- Frühgeborene sollen mit vier Impfstoffdosen im Alter von zwei, drei, vier und elf Monaten geimpft werden
- im Alter von fünf bis sechs Jahren erste Auffrischimpfung
- zweite Auffrischimpfung im Alter von neun bis siebzehn Jahren
- weitere Auffrischungen alle zehn Jahre
Niedrigster Stand seit 2008
Immer mehr Kinder sind bei verpassten Impfungen durch vermeidbare Infektionskrankheiten gefährdet. Verschiedene Faktoren könnten Einfluss auf die rückgängige Impfquote haben. Kinder leben häufiger in Konflikt- oder Krisengebieten, dort ist der Zugang zu Impfungen erschwert. Indien, Nigeria, Indonesien, Äthiopien und die Philippinen sind Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Diese verzeichnen die höchste Zahl der nicht geimpften Kinder. Die Durchimpfungsrate der Dreifachimpfung gegen Diphterie, Keuchhusten und Tetanus sank auf den niedrigsten Stand seit 2008. Die Hoffnung, die weltweite Impfquote von Kindern würde 2021 wieder zunehmen, wenn überlastete Impfprogramme sich erholt hätten, bestätigte sich nicht. Pandemische Unterbrechungen von Lieferketten und Impfprogrammen, sowie Fehlinformationen über Impfungen, ließen globale Impfziele scheitern.
Corona darf keine Ausrede sein
UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell äußerte bereits Mitte Juli ihre Bedenken: „Dies ist ein Alarmsignal für die Gesundheit von Kindern. Wir erleben den stärksten anhaltenden Rückgang von Routine-Impfungen bei Kindern in einer ganzen Generation. Die Folgen werden in Leben gemessen werden. Ein Rückgang war angesichts der pandemiebedingten Unterbrechungen und -Einschränkungen zu erwarten, aber jetzt zeigt sich, dass dieser Rückgang anhält. Die Covid-19-Pandemie darf keine Ausrede sein. Wir müssen die verpassten Impfungen für Millionen Kinder nachholen, oder wir werden unweigerlich mehr Krankheitsausbrüche, mehr kranke Kinder und einen größeren Druck auf die bereits überlasteten Gesundheitssysteme erleben.“
Trifft die weltweite Zahl der mangelernährten Kinder zusammen mit einer wachsenden Impflücke, sind viele Leben in Gefahr. Ein geschwächtes Immunsystem aufgrund von fehlenden Lebensmitteln ist angreifbarer für Infektionskrankheiten und schwere Verläufe.