Roche floppt mit Etrolizumab dpa/APOTHEKE ADHOC, 10.08.2020 13:55 Uhr
Der Pharmakonzern Roche hat bei Etrolizumab einen Rückschlag erlitten: Der Einsatz des Mittels bei Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Colitis ulcerosa habe in einigen Studien gegenüber Placebo keine deutlichen Vorteile gezeigt.
Insgesamt habe Etrolizumab als Induktions-Therapie zu gemischten Ergebnissen geführt und beim Einsatz als Erhaltungs-Therapie die gesteckten Ziele verfehlt. Damit habe das Mittel gerade da versagt, wo es am meisten darauf angekommen wäre, schrieb Analyst Wimal Kapadia von Bernstein Research in einer ersten Einschätzung der Daten. Mit dem Scheitern sei wohl eine wichtige Gelegenheit für Roche dahin, erklärte Kapadia. Er hatte mit einem Spitzenumsatz von 2,1 Milliarden Schweizer Franken im Jahr 2030 gerechnet und davon rund die Hälfte in sein Bewertungsmodell einbezogen.
Gemischte Ergebnisse
Das Sicherheitsprofil von Etrolizumab stimmte mit früheren Studien überein und in den vier bisher gemeldeten klinischen Phase-III-Studien wurden keine wesentlichen Sicherheitsprobleme festgestellt. Dennoch waren die Ergebnisse der verschiedenen Studien nicht eindeutig überzeugend: Zwar erreichte Etrolizumab bei Menschen ohne vorherige Behandlung mit Antitumor-Nekrose-Faktor (Anti-TNF) in der „Hibiscus-I-Induktionsstudie“ den primären Endpunkt. Im Gegensatz dazu konnte in der „Hibiscus-II-Induktionsstudie“, an der auch Personen ohne vorherige Anti-TNF-Behandlung teilnahmen, der primäre Endpunkt nicht erreicht werden. In einer weiteren Studie – der „Hickory-Studie“ – erreichte Etrolizumab bei Personen mit vorheriger Anti-TNF-Behandlung den primären Endpunkt bei der Induktion, jedoch nicht bei der Erhaltung. Auch in der vierten Studie – der „Laurel-Erhaltungsstudie“ – konnte bei Menschen ohne vorherige Anti-TNF-Behandlung der primäre Endpunkt nicht erreicht werden.
„Wir sind von diesen Ergebnissen enttäuscht, weil wir wissen, dass Menschen mit Colitis ulcerosa neue Behandlungsmöglichkeiten benötigen", sagte Dr. Levi Garraway, Chief Medical Officer von Roche und Leiter der globalen Produktentwicklung. „Wir analysieren diese Daten vollständig, um mehr darüber zu erfahren, wie wir auf die Bedürfnisse von Menschen mit dieser verheerenden Krankheit eingehen können.“ Weitere Analysen der Daten, einschließlich sekundärer Endpunkte, werden derzeit durchgeführt.
Etrolizumab als Hoffnungsträger
Der Wirkstoff wird im Rahmen des bislang größten klinischen Studienprogramms für entzündliche Darmerkrankungen untersucht, das aus acht randomisierten, kontrollierten und offenen Studien besteht. Das Studienprogramm umfasst mehr als 3100 Patienten in sechs Phase-III-Studien sowie zwei Open-Label- und Sicherheitsstudien bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn in mehr als 40 Ländern weltweit, einschließlich Vergleichstudien mit den gängigsten aktuellen Behandlungen.
Etrolizumab ist das erste untersuchte duale Anti-Integrin, das bei entzündlichen Darmerkrankungen untersucht wurde. Es wurde entwickelt, um die Erkrankungen an zwei Fronten zu bekämpfen: Durch den Wirkstoff sollen Integrin-α4β7 und Integrin-αEβ7 selektiv inhibiert werden, um sowohl den Transport von Immunzellen in den Darm als auch deren entzündliche Auswirkungen auf die Darmschleimhaut zu kontrollieren.
Weltweit sind rund sieben Millionen Menschen von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen betroffen. Die beiden bekanntesten Erkrankungen aus dieser Gruppe sind Colitis ulcerosa, welche hauptsächlich den Dickdarm und das Rektum betrifft, sowie Morbus Crohn, welche den gesamten Magen-Darm-Trakt beeinträchtigen kann. Bei den meisten Patienten kommt es zu plötzlichen und schubweise auftretenden Beschwerden wie Bauchschmerzen und Krämpfen, dringendem Stuhlgang und Durchfall, Rektalblutungen und schließlich auch Gewichtsverlust. Viele entwickeln im Verlauf zudem psychische Beschwerden, die die Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigen. Colitis ulcerosa wird am häufigsten bei jungen Menschen im Alter von 15 bis 30 Jahren diagnostiziert. Bei etwa einem Viertel der Menschen mit Colitis ulcerosa muss innerhalb von zehn Jahren nach der Diagnose eine Kolektomie durchgeführt werden, bei der Teile oder der gesamte Dickdarm entfernt werden.