Retinoide: Schwangerschaften müssen gemeldet werden Alexandra Negt, 20.01.2021 14:49 Uhr
Die Gruppe der oralen Retinoide fordert Apotheker und PTA bei der Beratung – insbesondere dann, wenn Frauen im gebärfähigen Alter eine Verschreibung über Isotretinoin & Co. vorlegen. Denn eine Schwangerschaft ist während der Therapie unter allen Umständen zu vermeiden. Nun hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) alle Angehörigen der Gesundheitsberufe aufgefordert, sämtliche Fälle von Schwangerschaften unter der Anwendung von Retinoiden zu melden. Hierfür soll ein spezielles Aktenzeichen genutzt werden.
Acitretin, Alitretinoin und Isotretinoin dürfen oral bei Frauen im gebärfähigen Alter nur unter Einhaltung eines Schwangerschaftsverhütungsprogramms angewendet werden. Vor der Verschreibung und Abgabe sollen die Risiken anhand des Schulungsmaterials mit den Patientinnen besprochen werden.
Nun sollen Schwangerschaften, die unter der Einnahme von oralen Retinoiden entstehen, gemeldet werden. Das BfArM fordert zukünftig die Meldung aller Schwangerschaften, die unter der Therapie mit oral anzuwendenden Retinoiden oder innerhalb des kritischen Zeitraums nach der Einnahme eintreten. Einmal jährlich sollen die Meldungen gesammelt übermittelt werden. Hierfür soll ein spezielles Geschäftszeichen verwendet werden. Auch Apotheken sollen künftig einmal jährlich mögliche Vorfälle melden.
Das zu verwendende Geschäftszeichen lautet 75.02-5221-2020-07/00141/RET. Alle Schwangerschaften, die bis zu einem Monat nach dem Absetzen von Alitretinoin und Isotretinoin auftreten, müssen ebenfalls gemeldet werden. Für den Wirkstoff Acitretin gilt ein Zeitraum von bis zu drei Jahren nach Absetzen der Therapie.
Bei der Verordnung von oralen Medikamenten mit den Wirkstoffen Acitretin, Alitretinoin oder Isotretinoin dürfen Apotheker diese erst an Frauen im gebärfähigen Alter abgeben, nachdem die Checkliste abgearbeitet wurde: Die Höchstmenge je Verschreibung darf den Therapiebedarf für 30 Tage nicht übersteigen und Verschreibungen sind nur bis zu sechs Tage nach dem Tag ihrer Ausstellung gültig. Zudem sollen die Patientinnen darauf hingewiesen werden, retinoidhaltige Arzneimittel zur oralen Anwendung niemals einer anderen Person zu geben und ungenutzte Kapseln am Ende der Behandlung in der Apotheke abzugeben.
Auch neuropsychiatrische Erkrankungen
Vor zwei Jahren wurden auch Sicherheitshinweise für neuropsychiatrische Erkrankungen mit in die Fachinformationen aufgenommen: Unter der Anwendung oraler Retinoide wurde über Depressionen oder verstärkte Angststörungen sowie über Stimmungsschwankungen berichtet. Patienten sollten darüber informiert sein und bei derartigen Reaktionen einen Arzt aufsuchen. Bei Anzeichen von Depressionen sollte gegebenenfalls eine Behandlung eingeleitet werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt Patienten, die bereits früher unter Depressionen gelitten haben.
Suizidrisiko umstritten
Zuletzt wurde erneut über eine gesteigerte Suizidgefahr während der Einnahme von oralen Retinoiden berichtet. Auslöser für die Diskussion waren Vorfälle in Großbritannien, bei denen sich insgesamt zehn Menschen, die das Aknemittel Isotretinoin einnahmen, das Leben genommen hatten.
Bereits 2016 beantragte die britische Arzneimittelbehörde MHRA bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine erneute Überprüfung des erhöhten Suizidrisikos unter der Einnahme von Isotretinoin. 2018 wurde die Bewertung zunächst abgeschlossen. Das Ergebnis: Aufgrund der begrenzten Daten könne nicht eindeutig nachgewiesen werden, ob das Risiko für neuropsychiatrische Erkrankungen durch Isotretinoin erhöht werde.