Resistenzmechanismus gegen Artemisinin entschlüsselt Alexandra Negt, 10.01.2020 13:46 Uhr
Artemisinin wird zur Behandlung der Malaria eingesetzt und ist in Kombinationspräparaten momentan Mittel der Wahl. Jährlich infizieren sich über 200 Millionen Menschen mit dem Parasiten – über 400.000 sterben an den Folgen der Erkrankung. Forscher des Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) haben jetzt den Mechanismus identifiziert, der für die Resistenz gegen das wichtige Malariamedikament verantwortlich ist.
Artemisinin
Der sekundäre Pflanzenstoff wird aus dem Einjährigen Beifuß gewonnen. Die Pflanze wird in China, Vietnam und Ostafrika angebaut. Max-Planck-Forscher aus Magdeburg und Potsdam haben 2018 eine kostengünstiger Möglichkeit zur Wirkstoffproduktion entwickelt. Artemisinin wird danach schneller, umweltfreundlicher und effizienter als bisher aus der Beifuß-Pflanze gewonnen. Die Chemiker kopierten und beschleunigten den natürlichen Prozess, den die einjährige Beifuß-Pflanze in der Natur zur Produktion von Artemisinin anwendet.
Der Arzneistoff gehört zu der Gruppe der Schizontoziden (Malariamittel). Chemisch handelt es sich um ein Sesquiterpen-Lacton. Bekannt sind diese Verbindungen auch aus Repellentien. Sesquiterpene wirken antimikrobiell, antineoplastisch, antiarthritisch, antiphlogistisch und kardioton (Steigerung der Herztätigkeit).
Der Wirkmechanismus ist bisher nicht vollständig geklärt, die Identifizierung des Resistenzmechanismus gibt weitere Informationen zur Wirkung. Der Wirkstoff besitzt eine Peroxidstruktur – in Anwesenheit von Eisenionen wird Artemisinin instabil und bildet freie Radikale. In Erythrozyten und dem Malariaerreger selbst ist die Eisenkonzentration hoch. Somit wird eine Abtötung der Plasmodien durch freie Radikale vermutet.
Um die toxische Wirkung entfalten zu können, muss Artemisinin aktiviert werden. Nimmt der Malariaparasit Hämoglobin auf, so verdaut er den Blutfarbstoff und bildet Hämoglobinaubbauprodukte. Diese Abbauprodukte führen zur Aktivierung von Artemisinin; der Parasit stirbt.
Resistenzmechanismus
Malariaparasiten vermehren sich in den Erythrozyten. Sie ernähren sich durch die Aufnahme und den Verdau von Hämoglobin. Der Arzneistoff Artemesin wird in Anwesenheit von Eisenionen instabil und bildet in den roten Blutkörperchen freie Radikale. Es treten immer häufiger Resistenzen gegenüber dem Wirkstoff auf, sodass eine Behandlung der Malaria nicht mehr möglich ist.
Frühere Beobachtungen hatten gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen Mutationen im Protein „Kelch13“ des Malariaparasiten und dem Auftreten von Artemisinin-Resistenzen besteht. Die genaue Funktion von Kelch13 in der Parasitenzelle war nicht bekannt. Nun konnten die Forscher aus Hamburg in Zusammenarbeit mit Kollegen aus den Niederlanden zeigen, dass Kelch13 mit anderen Proteinen in Wechselwirkung tritt und für die Aufnahme des Hämoglobins in die Parasitenzelle verantwortlich sind.
„Erst die Identifikation von Kelch13- Partnerproteinen hat uns den entscheidenden Hinweis gegeben, welche Funktion Kelch13 in der Parasitenzelle ausüben könnte", beschreibt Gruppenleiter Dr. Tobias Spielmann die Arbeit seiner Gruppe. „Die gezielte Inaktivierung von Kelch13 bestätigte diese Vermutung und führte in der Tat zu einer verminderten Hämoglobin-Aufnahme.“
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die bekannten Kelch13-Mutationen die Hämoglobinaufnahme in die Parasitenzelle vermindern. Die Folge: Weniger Hämoglobinabbauprodukte entstehen und Artemisinin wird nicht mehr ausreichend aktiviert – der Parasit wird nicht mehr abgetötet.
„Eigentlich handelt es sich bei der Arteminisin-Resistenz um eine sehr feinsinnige Balance zwischen Nahrungsaufnahme und Artemisinin- Aktivierung“, beurteilt Spielmann die Ergebnisse. „Zum einen muss der Parasit trotz verringerter Hämoglobinaufnahme noch genügend Nahrung zu sich nehmen, um zu überleben, zum anderen darf er gerade nur so viel Hämoglobin aufnehmen, dass Artemisinin nicht mehr ausreichend aktiviert wird.“
Studien
Artemisinin-basierte Kombinationstherapien können zusammen mit ergänzenden Prophylaxemaßnahmen die Mortalitätsrate deutlich senken. Im Endemiegebiet Sansibar wurde in einer über drei Jahre laufenden Studie bei Kindern unter fünf Jahren eine Reduktion um 70 Prozent berichtet.
Malaria zählt zu den großen Killern der Menschheit. Die Krankheit wird überwiegend in Afrika, Asien und Südamerika durch Anopheles-Mücken übertragen. Erreger sind Parasiten der Gattung Plasmodium. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es 2016 rund 216 Millionen Neuerkrankungen, 445.000 Menschen starben an der Tropenkrankheit – etwa 90 Prozent davon in Afrika.