Der regelmäßige Gebrauch von Desinfektionsmitteln könnte zur Resistenzentwicklung bei Keimen führen. Eine Umfrage der Schwenninger Krankenkasse zeigte nun, dass vor allem die junge Generation regelmäßig zur Desinfektion greift.
Mehr als 2000 Personen ab 14 Jahren wurden von der Krankenkasse in die Gesundheitsumfrage eingeschlossen. Das Ergebnis: 56 Prozent der Befragten nutzen zu Hause häufig Desinfektionsmittel. Die junge Generation zwischen 14 und 34 Jahren greift sogar regelmäßig zu keimtötenden Tüchern und Sprays und hält diese für harmlos; bei den Älteren sind es hingegen nur 44 Prozent. Dabei sei die „chemische Keule“ nicht sinnvoll: „Leider ist der Gebrauch von Desinfektionsmitteln zu sorglos – und vor allem auch zu häufig“, sagt Dr. Tanja Katrin Hantke, Gesundheitsexpertin der Schwenninger Krankenkasse. „In der Regel sind diese Mittel im Haushalt nicht notwendig. Im Gegenteil: Sie können sich sogar schädlich auswirken.“
Bei regelmäßigem Gebrauch von Desinfektionsmitteln werde die Bildung resistenter Keime gefördert, zudem stiegen die Belastungen für die Umwelt. Aber auch der Anwender selbst setzt sich Gefahren aus: „Beim Kontakt mit Desinfektionsmitteln wird die natürliche Schutzbarriere der Haut gestört. Dadurch können Krankheitserreger schneller in die so geschädigte Haut eindringen.“ Im Normalfall reiche das regelmäßige Händewaschen jedoch auch. Lediglich bei hochansteckenden Krankheiten oder einer Chemotherapie seien besondere Hygienemaßnahmen erforderlich, erklärt Hantke.
Im vergangenen Jahr zeigte auch eine im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlichte Studie, dass Bakterien nicht nur gegen Antibiotika, sondern auch Antiseptika resistent werden können. Obwohl aufgrund von antibiotikaresistenten Erregern wie Staphylococcus aureus (MRSA) strikte Hygienemaßnahmen eingeführt wurden, ist die Zahl der Infektionen mit dem gegen verschiedene Antibiotika resistenten Keim Enterococcus faecium angestiegen.
Ein Forscherteam der Universität Melbourne untersuchte deshalb den Darmkeim, welcher in Krankenhäusern und Kliniken auch zunehmend resistent gegen alkoholische Desinfektionsmittel ist. Die Forscher testeten, wie empfindlich die Erreger auf alkoholbasierte Desinfektionsmittel reagieren: Hierfür verwendeten sie über 100 Proben von Enterococcus faecium, die zwischen 1997 und 2015 in zwei Kliniken in Melbourne genommen wurden. Die Proben wurden verdünntem, 23-prozentigen Isopropanol ausgesetzt: Die nach 2009 gewonnen Proben vertrugen den Alkohol deutlich besser als die vor 2004 gewonnenen Bakterien.
Die meisten Antiseptika enthalten jedoch einen höheren Alkoholgehalt von 70 Prozent, daher kontaminierten die Forscher die Böden von Mäusekäfigen mit verschiedenen Enterococcus-faecium-Stämmen und reinigten diese dann mit Desinfektionstüchern, die mit 70-prozentigem Isopropanol versehen waren. Anschließend setzten sie Mäuse in die Käfige und analysierten nach einer Woche, welche Bakterienstämme den Darm der Tiere besiedelten: Dabei zeigte sich, dass die Stämme, die zuvor als alkoholtolerant identifiziert worden waren, deutlich besser die Mäuse befallen konnten als die alkoholsensiblen.
Neben multiresistenten Bakterien spielen auch multiresistente Pilze mittlerweile eine große Rolle: So breitet sich seit einigen Jahren ein mysteriöser Pilz mit dem Namen „Candida auris“ weltweit aus, dem kaum beizukommen ist. Zahlen der US-Behörde für Seuchenschutz und Prävention (CDC) zufolge ist er in über 90 Prozent der bekannten Infektionen gegen mindestens ein gängiges Antimykotikum resistent, in 30 Prozent sogar gegen mehrere. Noch beunruhigender: Laut CDC stirbt fast die Hälfte der Infizierten innerhalb von 90 Tagen. Dazu muss allerdings auch erwähnt werden, dass der „Killerpilz“, wie er in den Medien häufig bezeichnet wird, hauptsächlich Schwerkranke und Menschen mit geschwächtem Immunsystem befällt.
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