Tollwut-Impfstoff

„Rabipur ist wie Strom in Indien“ APOTHEKE ADHOC, 11.01.2019 09:53 Uhr

Berlin - 

Deutschland ist kein Tollwutland, dennoch ist die Nachfrage nach Tollwutimpfstoffen groß. Vor allem bei Reisen nach Asien, Afrika und Teilen Südamerikas wird eine Immunisierung empfohlen. Dennoch ist der Impfstoff seit Langem knapp. Auf einen Lieferengpass folgt der nächste, denn kaum wird Impfstoff ausgeliefert, ist er vergriffen. Ein Apotheker aus Niedersachsen hat beim Hersteller GlaxoSmithKline nachgefragt, wann Rabipur wieder lieferbar sein wird. Die Antwort macht ihn sprachlos.

Seit mehreren Monaten versucht der Apotheker an Rabipur zu kommen. Vor zwei Monaten, als eine Frau gebissen wurde und aktuell. Weil der Impfstoff nicht lieferbar war, sollte der Pharmazeut laut Aussage von GSK aus dem Notfalldepot eine Dosis erhalten. Dazu musste der Apotheker allerdings selbst nach Aachen fahren, er musste persönlich erscheinen. „Das sind mit An- und Abfahrt und Zeit vor Ort beinahe drei Stunden. Das zahlt mir niemand. So viel kann ich mit einer Packung Rabipur gar nicht verdienen.“ Dennoch, um die Patientin zu versorgen, nahm er den Weg auf sich.

Aktuell ist der Pharmazeut selbst betroffen, denn seine Tochter plant eine Thailandreise. Alle zwei bis drei Wochen fragt der Apotheker seither beim Hersteller nach der Verfügbarkeit von Rabipur. Immerwieder hieß es, in anderthalb Wochen würde Ware geliefert werden. Vor wenigen Tagen hat er am Telefon jedoch folgende Antwort erhalten: „Rabipur ist wie Strom in Indien, alle möchten ihn, nur manche bekommen ihn.“ Auf die Frage was der Kunde, der nach Thailand reisen wird tun sollte, erhielt der Pharmazeut ebenfalls eine wenig zufriedenstellende Antwort – der Kunde sollte sich in Thailand impfen lassen. Nur wenige Tage später wurde die beim Großhandel aufgegebene Dispo ausgeliefert. Zehn Packungen hat der Apotheker erhalten. Die Freude ist groß, wenn er auch bei der Lieferung an einen „Zufall“ glaubt.

Die Aussage des Mitarbeiters am Telefon „ist für uns nicht nachvollziehbar und spiegelt nicht die Sicht von GSK wider“, so ein Sprecher des konzerns. „In Thailand sind Tollwutimfpstoffe, die den WHO-Kriterien entsprechen, zugelassen. Möchten sich Reisende in Thailand impfen lassen, sollten sie sich von einem Arzt vor Ort beraten lassen und dabei entscheiden, ob eine präexpositionelle Impfung sinnvoll ist", heißt es weiter. „Nach einem möglichen Kontakt mit dem Virus (zum Beispiel Bissverletzung), sollte in jedem Fall eine ärztliche Versorgung aufgesucht werden.“

GSK teilt mit, Rabipur aktuell kontingentiert auszuliefern, um so die Versorgung der Notfalldepots sicherzustellen. „Im Moment gehen wir ab dem späten Frühjahr 2019 von einer stabileren Liefersituation aus“, so ein Sprecher. Den Engpass begründet der Konzern wie folgt: „GSK verzeichnet derzeit eine erhöhte Nachfrage nach Rabipur und eine vorübergehende Lieferverzögerung. Diese Lieferverzögerung wird durch operative Faktoren verursacht und hängt nicht von der Impfstoffqualität oder -sicherheit von Rabipur ab. Dies schließt sich bereits im Markt befindliche Ware ein. Im Durchschnitt wird jede Impfstoffcharge mehr als 100 Qualitätsprüfungen unterzogen, um sicherzustellen, dass jeder von GSK freigegebene Impfstoff die höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards erfüllt. GSK setzt sich dafür ein, diese Herausforderungen so schnell wie möglich zu lösen.“ Der deutsche Markt werde durch die Produktionsstätte in Marburg versorgt.

In Deutschland sind zwei Tollwutimpfstoffe zugelassen – Rabipur (GSK) und Tollwut-Impfstoff HDC (Sanofi). Beide Vakzine sind immer wieder nur eingeschränkt lieferbar. Als Grund nennen die Hersteller die weltweit erhöhte Nachfrage. Derzeit würden die Notfalldepots beliefert. Auf diese kann jedoch nur bei einem tatsächlichen Notfall zur Postexpositionsprophylaxe zurückgegriffen werden.

Die im Notfalldepot gelagerten Impfstoffe sind ausschließlich zur Versorgung in Notfällen und damit als Postexpositions-Prophylaxe vorgesehen. Sie dürfen nicht für eine Prophylaxe verwendet werden – auch bei bestehenden Lieferengpässen. Apotheken können im Falle eines Notfalls das Notfalldepot telefonisch kontaktieren. Das angeforderte Arzneimittel wird dann dort bereitgestellt und durch die Apotheke abgeholt. Ein Versand ist nicht möglich. Dabei wird die Entnahme durch Ausfüllen eines Entnahmescheines dokumentiert. Der Apotheke wird der Apothekeneinkaufspreis zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt.

Einer Sanofi-Sprecherin zur Folge ist die Herstellung des Tollwutimpfstoffes kompliziert. Zudem hat Sanofi nur eine Produktionsstätte mit Sitz in Frankreich. Diese sei voll ausgelastet, produziere aber nicht im Überfluss. Es komme immer wieder Ware und so werde der Bedarf beliefert.