Patienten sollen zukünftig besser vor Verunreinigungen pflanzlicher Arzneimittel mit Pyrrolizidinalkaloiden geschützt werden. Hersteller müssen ab sofort strenge Grenzwerte einhalten und gesonderte Tests in der Qualitätskontrolle ihrer Produkte einführen. Das hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angeordnet.
Pyrrolizidinalkaloide sind natürliche Inhaltsstoffe, die in mehr als 6000 Pflanzen vorkommen. Besonders verbreitet sind sie in Asteraceae (Korbblütengewächse) und Boraginaceae (Rauhblattgewächse). Die Naturstoffe können in hoher Konzentration die Leber und die Lunge schädigen. In Tierversuchen zeigten die Stoffe außerdem erbgutverändernde und krebsauslösende Wirkungen.
Das Ziel aller Maßnahmen soll es sein, die Menge an Pyrrolizidinalkaloiden in Arzneimitteln zu minimieren, heißt es in einer Mitteilung des BfArM. Gleichzeitig soll die Verfügbarkeit der Arzneimittel gewährleistet werden, die nicht von Verunreinigungsproblemen betroffen sind. Dafür wurden eigens Testszenarien entworfen und Grenzwerte definiert, die von der pharmazeutischen Industrie im Rahmen der Qualitätssicherung eingehalten werden müssen.
Die Phytohersteller sind verpflichtet, die neuen Regelungen des BfArM umzusetzen. Für jedes Produkt müssen zukünftig das Konaminationsrisiko geprüft und der tatsächliche Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden bestimmt werden. Sofern sich Bedenken bezüglich der Qualität der Produkte ergeben, müssen umgehend Maßnahmen ergriffen werden.
Für die Risikobewertung gibt das BfArM gibt ein Klassifikationssystem vor, das je nach ermitteltem Kontaminationsrisiko einen Umfang für die Testung und Grenzwerte für die Klassifikation beinhaltet. Dadurch soll eine Exposition mit Pyrrolizidinalkaloiden durch Arzneimittel über 1 µg pro Tag vermieden werden, so das BfArM.
Bereits 1992 waren Grenzwerte für Arzneimittel festgelegt worden, die pyrrolizidinalkaloidhaltige Wirkstoffe enthalten. Mit der Verfeinerung der Analysemethoden wurden in den vergangenen Jahren dennoch immer wieder Spuren von Pyrrolizidinalkaloiden in Pflanzen gefunden. Auch Ernten von Pflanzen, die selbst nicht zur Biosynthese der Naturstoffe in der Lage sind, waren betroffen.
Das BfArM hatte von den Herstellern bereits in den vergangenen Jahren Strategien zur Minimierung des Risikos eingefordert. Daraufhin hatten die Hersteller verschiedene Maßnahmen umgesetzt. So wurden sogenannte GACP-Projekte (Good Agricultural and Collection Praxis) zur Minimierung der Verunreinigungen initiiert. Außerdem wurde eine Datenbank mit Informationen zum Vorkommen der Alkaloide aufgebaut. Zur kontinuierlichen Minimierung des Gehalts der Naturstoffe entwickelten die Hersteller gemeinsam mit dem BfArM außerdem einen „Code of Practice“, über den ein risikobasiertes Monitoring und Maßnahmen über die gesamte Produktionskette vom Saatgut bis zum Wirkstoff eingeführt wurden.
Aufgrund der bisherigen Untersuchungen sei davon auszugehen, dass der Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden auf Verunreinigungen mit sogenannten Beikräutern wie Heliotropium- oder Senecio-Arten zurückzuführen ist, so das BfArM. Diese gelangen bei der Ernte in die jeweiligen Chargen. Da unter Umständen der Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden bereits durch eine Verunreinigung mit sehr wenigen Pflanzen resultieren könne, seien landwirtschaftlichen Maßnahmen alleine nicht möglich, um kurzfristig der Problematik zu begegnen, so die Experten. Vielmehr sei eine verstärkte Kontrolle erforderlich.
Die Hersteller sehen den Änderungen eher gelassen entgegen. Dr. Willmar Schwabe erklärt, man habe sich bereits seit Jahren mit dem Thema befasst und sich aktiv an der Gestaltung der Maßnahmen beteiligt. Man dürfe sich aber nicht der Illusion hingeben, dass Pyrrolizidinalkaloide vollständig aus pflanzlichen Produkten eliminiert werden könnten. Das sei schlicht nicht möglich, so der Phytohersteller aus Karlsruhe. Die jetzt angeordneten Maßnahmen des BfArM habe man aber bereits im Vorfeld umgesetzt.
Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hatte kürzlich per Video eine Risikoeinschätzung zu den Alkaloiden veröffentlicht. Messungen hatten ergeben, dass auch in Lebensmitteln teilweise höhere Gehalte der Alkaloide enthalten seien. Eine Gefahr für die Verbraucher in Deutschland sieht das BfR deswegen aber nicht. Bei dem Verzehr von Honig oder Kräutertee- und Teeaufgüssen sei die Dosis der enthaltenen Pyrrolizidine zu gering, um eine Schädigung hervorzurufen.
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