Das langwirksame Parasympatholytikum Glycopyrroniumbromid wird bei Lungenerkrankungen eingesetzt. Jetzt hat der Hersteller Proveca eine Zulassung für die Anwendung bei erhöhtem Speichelfluss erhalten. Weil das Arzneimittel speziell zur Anwendung bei Kindern entwickelt wurde, gibt es einen zehnjährigen Konkurrenzschutz.
Unter dem Handelsnamen Sialanar soll Glycopyrroniumbromid als orale Lösung in der Dosierung à 400 µg/ml auf den Markt kommen. Eingesetzt werden soll das Präparat bei Kindern ab drei Jahren mit chronischen neurologischen Störungen und zur symptomatischen Behandlung von schwerer Sialorrhö.
Eingenommen werden soll die Lösung dreimal täglich entweder eine Stunde vor oder zwei Stunden nach dem Essen. Die Dosierung wird je nach Körpergewicht, Ansprechen auf die Therapie und den auftretenden Nebenwirkungen individuell festgelegt.
Der Hersteller hatte zwei Studien vorgelegt, in denen an insgesamt 77 Kindern Glycopyrroniumbromid gegen Placebo verglichen wurde. Die Studien konnten eine deutliche Verringerung des Speichelflusses anhand einer standardisierten Skala (modified teachers drooling scale) zeigen.
Glycopyrroniumbromid ist ein langwirksames Parasympatholytikum, das an den Muskarin-Rezeptoren angreift. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Verwirrtheit, Hautausschlag, Nasopharyngitis, Trockenheit der Schleimhäute, Verstopfung, Durchfall, Brechreiz und Harnverhalten.
Für Proveca war es bereits der zweite Anlauf: Im April hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassung wegen ungenügender Daten zu den Risiken verweigert.
Glycopyrroniumbromid wird als Inhalativum zur symptomatischen Behandlung der chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD) angewendet (Seebri, Ultibro). Biosyn hat mit Robinul eine Injektionslösung auf dem Markt, die vor Operationen zur Reduktion des Speichelflusses eingesetzt wird.
Sialanar ist das dritte sogenannte PUMA-Arzneimittel (Pediatric Use Marketing Authorization). Bereits 2011 wurde das aus der Anästhesie bekannte Benzodiazepin Midazolam zur Behandlung von akuten Krampfanfällen bei Epileptikern unter 18 Jahren zugelassen.
Propranolol, klassischerweise zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt, wird seit April 2014 unter dem Handelsnamen Hemangiol auch bei Säuglingen eingesetzt, die ein behandlungsbedürftiges proliferatives infantiles Hämangiom haben.
Bei PUMA-Arzneimitteln handelt es sich um gezielte Weiterentwicklungen nicht mehr patentgeschützter Wirkstoffe für die Anwendung bei Kindern. Zwar gibt es mit der Zulassung einen zehnjährige Exklusivität, doch die Pharmaverbände fordern, dass auch der Zusatznutzen automatisch als belegt anerkannt sein soll.
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