Der Einsatz des in bestimmten Pilzen enthaltenen Halluzinogens Psilocybin bei Depressionen wurde schon häufiger diskutiert. Die US-Arzneimittelbehörde FDA sprach in der Vergangenheit sogar von einem „Therapiedurchbruch“ der Zauberpilze. Nun konnte eine Studie erneut die Wirkung bei mittelschweren und schweren Depressionen zeigen – innerhalb eines Tages nach der ersten Anwendung zeigten die Teilnehmer bereits eine Verbesserung des Gemütszustands.
Die sogenannten „Magic Mushrooms“ und ihre Inhaltsstoffe stehen schon länger im Visier der Wissenschaft. Mehrere Studien haben sich bereits mit dem Einsatz des Halluzinogens Psilocybin bei Depressionen beschäftigt und Hinweise auf eine positive Wirkung geliefert. Im Fachjournal „JAMA Psychiatry“ wurde kürzlich eine aktuelle Untersuchung bei Patienten mit mittelschweren bis schweren Depressionen vorgestellt – auch hier konnte Psilocybin positive Effekte zeigen. Bereits einen Tag nach der ersten Anwendung berichteten die Teilnehmer über einen verbesserten Gemütszustand, nach einer zweimaligen Gabe wurde bei der Hälfte der Patienten eine Remission erzielt, die über mindestens zwei Monate anhielt.
An der Untersuchung des John Hopkins Center for Psychedelic and Consciousness Research in Baltimore nahmen 24 Patienten teil. In einem Alter von 40 Jahren litten sie im Mittel bereits seit 21,5 Jahren wiederkehrend an Depressionen. Bei Studienteilnahme dauerte die aktuelle depressive Episode bereits seit etwa 24 Monaten an. Die Teilnehmer wurden im Abstand von weniger als zwei Wochen zweimal mit Psilocybin behandelt – zunächst erhielten nur 13 Patienten das Halluzinogen, die übrigen 11 dienten als Vergleichsgruppe.
Die Einnahme der „Zauberpilze“ wurde in mehreren Sitzungen vorbereitet: Das Halluzinogen kann zu visuellen und akustischen Halluzinationen und Bewusstseinsveränderungen führen. Die Wirkung kann mehrere Stunden andauern und beruht auf einer Stimulation von serotininergen und glutaminergen Neuronen.
Für die Verabreichung des Psilocybins wurden die Teilnehmer in einem speziellen Raum mit einem Sofa untergebracht. Sie setzten eine Schlafmaske auf und hörten entspannende Musik nach der Einnahme. Außerdem waren in den darauffolgenden fünf Stunden zwei Betreuer anwesend. Die Behandlung wurde in den folgenden Tagen aufgearbeitet und besprochen. Dabei kam die sogenannte „GRID-Hamilton-Skala“ zum Einsatz. Sie dient als Instrument zur Bewertung von Depressionen und deren Schweregrad: Werte von 24 oder mehr kennzeichnen eine schwere Depression, Werte zwischen 17 und 23 eine mittelschwere Depression, Werte zwischen 8 und 16 eine leichte Depression und alles unter 7 Punkten gilt als normaler Gemütszustand.
Zu Beginn der Untersuchung wurde bei den Teilnehmern im Durchschnitt ein Wert von 22,8 Punkten ermittelt. Eine Woche nach der ersten Anwendung von Psilocybin wurde ein Wert von 8 ermittelt, der auch nach vier Wochen mit 8,5 noch etwa gleich war. Bei den Teilnehmern der Vergleichsgruppe hatte sich der Wert nicht verändert. Bereits nach einem Tag berichteten die Patienten, die das Halluzinogen erhalten hatten, von einer deutlichen Verbesserung ihres Gemütszustandes.
Das Team bewertet die Wirkung der „Zauberpilze“ 2,5-Mal höher als die einer Psychotherapie und 4-Mal höher als die von konventionellen Antidepressiva: 67 Prozent der Teilnehmer waren nach der ersten Woche in Remission, 71 Prozent nach vier Wochen. Definiert wurde diese in einer mindestens 50-prozentigen Reduktion des „GRID-Hamilton-Scores“. Bei 58 Prozent (nach einer Woche) beziehungswese 54 Prozent (nach vier Wochen) konnte sogar ein Wert der weitgehenden Symptomfreiheit erreicht werden.
Im Jahr 2018 hatte die FDA bereits eine Studie mit Psilocybin genehmigt, vor einem Jahr folgte dann der Status einer „Durchbruchstherapie“ für eine klinische Studie des Usona-Instituts in den USA. Ziel ist es, die Sicherheit und Wirksamkeit einer Einzeldosis Psilocybin im Vergleich zu Placebo bei Patienten im Alter von 21 bis 65 Jahren mit behandlungsresistenter Depression (MDD) untersuchen.
Durch die Kennzeichnung als Breakthrough-Therapie wird anerkannt, dass Psilocybin möglicherweise eine klinisch signifikante Verbesserung gegenüber bestehenden Therapien bieten kann. Psilocybin könnte mit einer Einzeldosis das Gehirn so beeinträchtigen, dass es nach der Besserung der depressiven Symptome dauerhafte Auswirkungen haben könnte. Die Phase-II-Studie wird voraussichtlich Anfang 2021 abgeschlossen sein. Durch die Unterstützung der FDA könnte relativ schnell eine Phase III-Studie gestartet werden.
Zauberpilze werden häufig missbräuchlich zu Rauschzwecken eingesetzt, da die Wirkung der von LSD ähnelt. Psilocybin ist ein Prodrug und wird im Körper rasch zum Psilocin dephosphoryliert, der eigentlich psychoaktiven Verbindung. Untersuchungen zur Pharmakokinetik an Menschen zeigten, dass nach oraler Verabreichung auf nüchternen Magen Psilocybin in signifikanten Mengen innerhalb von 20 bis 40 Minuten im Plasma nachweisbar war. Die Substanz wird größtenteils über die Niere abgebaut. Psychische Effekte treten bei Plasmaspiegeln von 4 bis 6 mg/ml auf.
Psilocin ähnelt dem Neurotransmitter Serotonin und ist ein Partialagonist mit hoher Affinität am 5-HT2A-Rezeptor. Es wirkt jedoch nicht wie LSD auf die Dopamin-Rezeptoren. Therapeutisch werden 5-HT2A-Rezeptorantagonisten heute als atypische Antipsychotika eingesetzt, beispielsweise Clozapin. Pilz-Halluzinogene scheinen daher als Antidepressivum nicht ungeeignet zu sein. Als Arzneistoff ist Psilobycin nicht neu: Das Alkaloid wurde unter dem Namen Indocybin (Sandoz) als kurz wirkende und verträgliche Substanz vertrieben. Es diente als Hilfsmittel zur Aktivierung des Unbewussten im Rahmen tiefenpsychologischer Behandlungen, musste später jedoch wieder vom Markt genommen werden.
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