Protonenpumpenhemmer (PPI) erhöhen möglicherweise das Risiko für Demenz bei Menschen über 75 Jahren. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Bonn. So erkrankten Senioren, die etwa Omeprazol oder Pantoprazol über längere Zeit einnahmen, mit einer um 44 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit an Demenz als Probanden, die keine Säureblocker bekommen hatten.
Die Forscher um Dr. Britta Hänisch vom Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen hatten Daten von mehr als 73.000 Senioren ausgewertet. Keiner davon wies bei Studienbeginn eine Demenz auf. Von den im Verlauf der Studie diagnostizierten Demenzfällen wurde ermittelt, ob die Patienten über einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten regelmäßig PPI eingenommen hatten.
Bei knapp 3000 Personen war dies der Fall. Dabei spielte es nach Angaben der Forscher keine Rolle, welcher Säureblocker verwendet worden war. Etwa die Hälfte der Studienteilnehmer entwickelte Alzheimer, bei den anderen 50 Prozent wurde eine andere Demenzkrankheit diagnostiziert. Die statistische Analyse ergab, dass bei Patienten mit PPI-Behandlung die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung signifikant höher war. Auch bei Patienten mit gelegentlichem Gebrauch von Säureblockern war die Rate erhöht, allerdings nicht so stark wie bei regelmäßiger Einnahme.
Schon in einer früheren Studie waren gleiche Signifikanzen aufgetaucht, allerdings war die Patientenpopulation deutlich kleiner gewesen. Außerdem hatte sich die Auswertung der ersten Untersuchung ausschließlich auf Patientenakten aus Arztpraxen beschränkt, während nun auch Daten einer Krankenkasse zur Verfügung standen.
Ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder ob es sich um eine zufällige statistische Signifikanz handelt, bleibt allerdings unklar. Der Verdacht auf eine ursächliche Beziehung bestehe in jedem Fall, so die Forscher. Die Wirkstoffe könnten möglicherweise die Blut-Hirn-Schranke überwinden und mit Enzymen im Gehirn interagieren. Auch einen Zusammenhang mit einem Vitamin B12-Mangel schließen die Wissenschaftler nicht aus – dadurch könnte die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen begünstigt werden.
Die Vermeidung von PPI könne die Entwicklung einer Demenz möglicherweise verhindern, schließen die Autoren. Die Medikamentengruppe werde ohnehin viel zu häufig angewendet. Bis zu 70 Prozent der PPI-Verordnungen seien unnötig, so die Forscher. Häufig würden die Produkte, die in Deutschland in der Selbstmedikation zu finden sind, für Beschwerden eingesetzt, für die der Einsatz gar nicht gedacht sei. Auch prophylaktisch würden sie von Patienten gern angewendet – dies sei aber nicht von der Indikation abgedeckt. Seit 2009 Omeprazol und Pantoprazol aus der Rezeptpflicht entlassen wurden, ist vor allem der Markt der Medikamente gegen Sodbrennen in Bewegung: Die PPI verdrängen die klassischen Antazida mehr und mehr.
Die Wissenschaftler fordern prospektive klinische Studien, um die statistischen Ergebnisse ihrer Untersuchungen klinisch zu verifizieren. Bis dahin sollen Patienten die Medikamente nur nach Anweisung des Arztes anwenden. Mediziner werden aufgefordert, ihr Verordnungsverhalten zu überdenken.
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