Tablettenspender

Projekt Hana: Design-Studenten suchen Apotheken Deniz Cicek-Görkem, 19.03.2018 14:11 Uhr

Berlin - 

Studenten der beiden Design-Studiengänge der Hochschule Osnabrück – Industrial Design und Media & Interaction Design – haben kürzlich auf dem Campus Westerberg Einblicke in ihr Studium geben. Dabei präsentieren sie auch Gegenstände, die sie entworfen haben. Einer der Hingucker war ein automatischer Tablettenspender, der die Medikation von Senioren vereinfachen soll und auf eine Kooperation mit Apotheken baut.

Mit dem Alter treten vermehrt Krankheiten auf, die Patienten nehmen mehr Medikamente ein. 30 bis 40 Prozent aller Bundesbürger, die älter als 65 Jahre sind, nehmen mindestens vier Arzneimittel ein, unter den 75 bis 80-Jährigen sind es schon mehr als acht Medikamente bei jedem Dritten. Dabei steigt das Risiko für Medikationsfehler mit der Zahl der eingenommenen Mittel, gleichzeitig nimmt die Compliance ab. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 10 Prozent der Krankenhausaufnahmen bei älteren Menschen durch Arzneimittel-Nebenwirkungen verursacht.

Für multimorbide und damit polypharmazeutisch behandelte Senioren ist die korrekte Anwendung der Medikamente zum richtigen Zeitpunkt eine Herausforderung. Vor allem durch wechselnde Rabattvertragsmedikation kann der Patient den Überblick verlieren und identische Substanzen von unterschiedlichen Herstellern parallel einnehmen. „Jede Person, mit der wir gesprochen haben, hatte dieses Problem mit der Medikation angesprochen“, sagt Dominik Bardelmann, Student im vierten Semester des Design-Studiengangs „Media & Interaction Design“. Der 21-Jährige hat zusammen mit seinem Kollegen Lukas Licher den automatischen Tablettenspender „hana“ im Semester zuvor konzipiert. Durch die automatisierte Speicherung und Nutzung von Dosierungsinformationen reduziere dieser den Aufwand für die Medikamentengabe. Gleichzeitig würden Anwendungsfehler vermieden, wie beispielsweise das Vergessen von Medikamenten oder die Einnahme in einer falschen Dosis.

Für das Projekt „Senior Services“ sollten sich die jungen Menschen mit einer Dienstleistung für Senioren ab 75 Jahren auseinandersetzen und diese künstlerisch umsetzen. „Im Rahmen unserer Recherche haben wir mit verschiedenen Personen gesprochen“, erklärt Bardelmann den Entwicklungsweg. Darunter gehörten eine Professorin der Gerontologie und ein Apotheker aus Osnabrück und auch die Senioren selbst: „Wir haben Familienmitglieder angesprochen, weil sie bereitwilliger sind, Probleme zuzugeben.“ Aber auch die Recherche wissenschaftlicher Studien kam nicht zu kurz.

Das finale Konzept sieht so aus: Der Patient betritt die kooperierende Apotheke und übergibt das Rezept. Der Apotheker nimmt die Daten auf und trägt diese mithilfe der iPad-App in das System ein. Die Daten der Bestellung werden in einer zentralen Datenbank gespeichert. Der Apotheker stellt eine neue Pillenbox auf den Scanner und verknüpft damit die Daten mit der Box. Im Anschluss befüllt er die Box mit den Medikamenten. Der Patient nimmt die Box mit nach Hause und stellt diese in seinen Tablettenspender. Dieser entnimmt der Box und der zentralen Datenbank die Informationen bezüglich der Medikamente und gibt zum passenden Zeitpunkt die Tablette raus. „Kooperierende Apotheken bilden das Rückgrat der Dienstleistung“, so die Studenten.

Die Zielgruppe der App sind Apothekenmitarbeiter. Wenn der Kunde in die Apotheke geht und neue Tabletten benötigt, soll der Apotheker mit der App den Bestellvorgang in der Apotheke durchführen. Der komplette Bestellvorgang wird während des Kundenkontakts abgewickelt.

Das Grundkonzept der Idee besteht darin, dass sich mindestens zwölf Behälter mit verschiedenen Tabletten im Gerät befinden. Die Behälter sind im Kreis angeordnet, der um seinen Mittelpunkt rotiert. Diese Anordnung ermöglicht es, dass jedes Tablettenfach zu der Öffnung gedreht werden kann, um dort die Tabletten auszugeben. Die Ausgabe der Tabletten erfolgt an einer bestimmten Stelle des Geräts durch eine mechanische Separation einzelner Tabletten, ähnlich der Funktion eines Süßstoffspenders. Im Ergebnis können so zwölf verschiedene Tablettensorten durch das Gerät ausgegeben werden. Der Auswurf der Tabletten erfolgt in ein kleines Gefäß, das der Benutzer einfach entnehmen kann.

Das Gerät ist minimalistisch gehalten, damit ältere Menschen, die über wenig bis keine Erfahrung mit technischen Geräten verfügen, es einfach haben. Die Kommunikation zwischen dem Menschen und der Maschine sei hier besonders wichtig. Der Tablettenspender kommuniziere visuell sowie auch akustisch und gibt ein grünes Licht wieder, wenn die Tabletten ausgegeben wurden und eingenommen werden können. Unterstützt werde die Kommunikation hierbei durch eine Animation, die auf die Ausgabe hindeute.

„In unserem aktuellen Prototypen konnten wir aus Zeitmangel nicht alle Aspekte für eine Markteinführung bearbeiten“, so die Studenten. Generell sei die Idee so konzipiert, dass eine Umsetzung realistisch möglich ist. Für die weitere Entwicklung gebe es allerdings Probleme, die gelöst werden müssten. Dazu gehörten Anreiz für Apotheken und Patienten, Bezahlung durch Krankenkassen, Abgabe von verschiedenen Tablettengrößen sowie die datenschutzrechtlich erlaubte Speicherung von Patientendaten. Denn derzeit würden die Informationen auf einer zentralen Datenbank gespeichert. Künftig könnten die Daten in der Apotheke vor Ort gespeichert werden, ohne dass Dritte Zugriff darauf hätten. Eine Integration von Verwandten, Ärzten und Pflegediensten in das Konzept wäre auch denkbar.

Betreut wurden die Studenten von Professor Hannes Nehls, der an der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik „Interaction Design“ lehrt. Was kann man sich unter diesem Fach vorstellen? „Wir beschäftigen uns mit der Wechselwirkung von Mensch und Maschine“, sagt Nehls, der sehr erfreut ist von dem entstandenen Exponat der Studenten.