Infektionen

Procalcitonin: Marker für Antibiotika-Therapie Deniz Cicek-Görkem, 19.10.2017 12:49 Uhr

Berlin - 

Schweizerische Wissenschaftler haben nach einer Metaanalyse herausgefunden, dass mithilfe des körpereigenen Infektionsmarkers Procalcitonin der Einsatz von Antibiotika gezielt gesteuert werden kann. Den im Fachjournal „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlichten Ergebnissen zufolge kann eine entsprechend gestützte Therapie zu einer Abnahme von Nebenwirkungen sowie der Mortalität führen.

Procalcitonin (PCT) ist die Vorstufe eines Schilddrüsenhormons Calcitonin und besteht aus 116 Aminosäuren. Die Substanz wird in den C-Zellen der Schilddrüse produziert und ist bei Gesunden kaum nachweisbar. Bei viralen Infektionen nimmt die PCT-Produktion ab, wahrscheinlich aufgrund der steigenden Produktion des Zytokins Interferon-γ.

Im Falle einer bakteriellen Infektion dagegen steigt die Blutkonzentration innerhalb von sechs bis zwölf Stunden an. Anders als bei anderen Entzündungsmarkern wird die Freisetzung von Procalcitonin durch Interferon-γ blockiert. Procalcitonin ist daher spezifischer für bakterielle Infektionen als das C-reaktive Protein (CRP) oder als die Leukozytenzahl.

Im Februar wurde PCT von der US-Arzneimittelbehörde FDA als diagnostischer Marker bei Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen anerkannt. Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass der Einsatz von Procalcitonin eine Antibiotika-Therapie um rund 30 Prozent verkürzen kann. In der ärztlichen Verschreibepraxis kann das Prohormon als Orientierungshilfe dienen, da eine Abgrenzung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen bei Atemwegsinfektionen sich oft als schwierig darstellt. Außerdem ist eine engmaschigere Überwachung während der Therapie möglich.

Das Forscherteam aus der Schweiz untersuchte nun in einer Metaanalyse, wie sich die Antibiotika-Therapie von Patienten mit akuten bakteriellen Atemwegsinfektionen durch Berücksichtigung der Procalcitonin-Konzentration verbessern lässt. Dazu werteten die Wissenschaftler internationale Daten von 6708 Patienten aus 26 randomisierten, kontrollierten Studien aus. Die Daten wurden im Sinne eines Data sharing zur Verfügung gestellt, einzelne Patientengruppen konnten daher besser charakterisiert werden. Insgesamt kamen die Studien aus zwölf Ländern. Die Patienten waren im Durchschnitt in beiden Gruppen rund 61 Jahre alt.

Durch Berücksichtigung des Infektionsmarkers Procalcitonin bei der Therapie nahm demnach die Mortalität bei Patienten mit Atemwegsinfektionen ab. Die Wissenschaftler beobachteten eine Reduktion der relativen Mortalität nach 30 Tagen von 14 Prozent (von 10 auf 8,6 Prozent), außerdem konnte eine 25-prozentige Reduktion von Nebenwirkungen (von 22,1 auf 16,3 Prozent) sowie eine Verkürzung der Therapiedauer um 2,4 Tage (5,7 vs. 8,1 Tage) gezeigt werden.

„Diese Resultate machen auch Hoffnung, dass dem weltweiten Trend der Antibiotika-Resistenzbildung entgegengewirkt werden kann“, kommentiert Studienleiter Professor Dr. Philipp Schuetz vom Departement Klinische Forschung von Universität und Universitätsspital Basel und dem Kantonsspital Aarau die Ergebnisse. Die Verwendung des Infektionsmarkers im klinischen Alltag habe das Potenzial, die Versorgung von Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen zu verbessern, indem die Antibiotika-Exposition und das damit verbundene Risiko, eine nachfolgende Antibiotikaresistenz zu entwickeln, reduziert werde. „Diese Ergebnisse haben erhebliche Auswirkungen auf die klinische und öffentliche Gesundheit“, schreiben die Wissenschaftler.