Antibiotikaresistenzen

Killerkeime stumm schalten Deniz Cicek-Görkem, 22.09.2017 09:44 Uhr

Berlin - 

Die zunehmende Antibiotikaresistenz pathogener Bakterien stellt ein medizinisches und gesellschaftliches Problem dar. Wissenschaftler suchen weltweit nach alternativen Arzneistoffen gegen diese Erreger. Manche Keime überdauern in sogenannten Biofilmen. Eine im Fachjournal „ChemBioChem“ veröffentlichte Studie zeigt, dass die für die Bildung des Schutzfilms notwendige Kommunikation der Bakterien medikamentös gehemmt werden kann.

Einer der bekanntesten Krankenhauskeime ist Pseudomonas aeruginosa. Das gramnegative Bakterium kann in dichten Verbünden überleben. Wenn sich die Pseudomonaden in einem Film erst einmal zusammengelagert haben, ist eine Bekämpfung fast unmöglich, da die einzelnen Bakterien vor dem Immunsystem und Medikamenten geschützt sind. Die Schleimschicht wird ausgebildet, wenn die Erreger vorher über Signalstoffe miteinander kommuniziert haben.

Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben die dreidimensionale Struktur eines Proteins entschlüsselt, das eine Rolle bei der Bildung der Signalmoleküle spielt. Anhand dieser molekularen Struktur können passgenaue Hemmstoffe modelliert werden, die den Signalweg aufheben. So werden die Keime stumm geschaltet und können keinen Schutzfilm mehr ausbilden.

Das Kommunikationssystem der Bakterien könnte eine alternative Zielstruktur sein: „Herkömmliche Antibiotika greifen lebenswichtige Prozesse der Bakterien an, töten sie dadurch ab und erzeugen so einen Selektionsdruck, der die Bakterien dazu zwingt, Resistenzen gegen die Antibiotika zu entwickeln“, sagt Florian Witzgall, Doktorand in der HZI-Abteilung „Struktur und Funktion der Proteine“, die von Professor Dr. Wulf Blankenfeldt geleitet wird.

Pseudomonaden besitzen drei verschiedene Kommunikationssysteme, um miteinander zu kommunizieren, das sogenannte pqs-System („Pseudomonas Quinolone Signal“) kommt bei keinem anderen Bakterium vor. „Das pqs-System bietet sich als Angriffspunkt für Medikamente an, da es für Pseudomonas recht spezifisch ist, eine Vielzahl von Prozessen wie die Bildung von Virulenzfaktoren oder Biofilmen reguliert und der Mensch kein homologes System besitzt“, sagt Witzgall. Im pqs-System wird ein Signalmolekül generiert, über das die Bakterien miteinander kommunizieren können. Nach Aktivierung eines bestimmten Rezeptors wird eine Vielzahl von Genen reguliert, die zum Beispiel das Infektionsprogramm steuern.

Um die dreidimensionale Struktur zu entschlüsseln, wurde das Protein PqsA von Escherichia coli produziert. Danach folgten Isolierung, Reinigung, Kristallisation der Substanz mit anschließender Röntgenbestrahlung der Proteinkristalle. Anhand der Streuungsmuster konnte die Molekülstruktur berechnet werden.

„Anhand der aufgeklärten Struktur wissen wir nun, wo und wie das Protein PqsA die Ausgangssubstanz für das spätere Signalmolekül bindet“, sagt Blankenfeldt. „Das macht es möglich, gezielt künstliche Moleküle am Computer zu entwerfen, die fest an PqsA binden und es nicht wieder verlassen können. So würde es in seiner Funktion blockiert und könnte keine Signalmoleküle mehr herstellen.“