Prevymis: Prophylaxe für Organempfänger Alexandra Negt, 16.11.2019 08:21 Uhr
Immunsuppressiva sollen die Abstoßung von transplantierten Organen vermeiden. Diese Präparate senken die Infektabwehr des Patienten so stark, dass die Häufigkeit und Schwere von Infektionen stark ansteigt. Die Reaktivierung des Cytomegalie-Virus (CMV) ist eine der häufigsten Komplikationen bei Organtransplantationen. Unbehandelt führt die Infektion zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen. Durch eine gezielte Prophylaxetherapie mit dem Wirkstoff Letermovir kann eine Reaktivierung der Herpes-Viren vermieden werden.
Letermovir ist das erste und momentan einzige Medikament zur prophylaktischen Behandlung von CMV-Infektionen bei Stammzelltransplantationspatienten. Das Präparat wird einmal täglich oral eingenommen. Der antivirale Wirkstoff wurde Ende 2017 unter dem Namen Prevymis (MSD Sharp & Dohme) zugelassen. Letermovir gehört zur Substanzklasse der nicht-nukleosidischen-CMV-Inhibitoren, den 3,4-Dihydrochinazolinen, und hemmt die Virusreplikation durch eine gezielte Wirkung auf den Terminasekomplex.
Der Wirkstoff wurde von dem Pharmaunternehmen AiCuris bis zur Phase 2b entwickelt und anschließend an MSD zur weiteren Entwicklung und Vermarktung auslizenziert. AiCuris spricht von bislang 15.000 behandelten Patienten. Eine Anwendung bei anderen Organtransplantationen soll folgen, so läuft aktuell eine Studie zur prophylaktischen Behandlung von CMV-Infektionen bei Empfängern von Nierentransplantaten. Das Infektionsrisiko ist unabhängig von der Art des transplantierten Organs gleich hoch.
Transplantate von einem CMV-positiven Spender führen bei einem CMV-negativen Organempfänger zu einem hohen Ansteckungsrisiko. Die starke immunsuppressive Behandlung führt häufig zu einer Virus-Reaktivierung. Anschließend wird aus dem Transplantat heraus der ganze Körper des Empfängers infiziert. Ohne Prophylaxe folgen schwere CMV-Erkrankungen. Ist der Empfänger bereits CMV-positiv, führt dies ebenfalls zu Komplikationen: Eine Superinfektion entsteht. Darüber hinaus kann es zur Reaktivierung des CMV-Stammes des Empfängers kommen. Selbst wenn Spender und Empfänger CMV-negativ sind, kann sich der Immunsupprimierte durch Blutprodukte oder auf normalen Weg infizieren.
Das Virus kann in Tränenflüssigkeit, Speichel, Urin, Genitalsekret sowie Muttermilch und Blut enthalten sein. Übertragen werden kann es bei jeglichem Kontakt mit infektiösen Körperflüssigkeiten (Stillen, Küssen, Sexualkontakte, Blutprodukte, Organtransplantationen). Während der Stillperiode geht das Virus mit einer Häufigkeit von circa 35 Prozent auf die Kinder über. Da das Virus nach einer Primärinfektion latent in Zellen wie Monozyten verbleibt und sich nach einer Reaktivierung im Körper wieder replizieren kann, ist eine Ansteckung prinzipiell lebenslang möglich.
Bei immunkompetenten Personen verläuft eine CMV-Infektion in den meisten Fällen asymptomatisch, allenfalls mit unspezifischen grippeartigen Symptomen wie Abgeschlagenheit, Fieber und Husten. Frauen, die sich während der Schwangerschaft mit CMV infizieren, weisen mehrheitlich (75 Prozent) keine Symptome auf. Bei Neugeborenen oder Personen unter immunsuppressiver Therapie kann es zu Komplikationen und zahlreichen Organschädigungen kommen. So besteht unter anderem die Gefahr der Entstehung einer Pneumonie. Es kann zu irreversiblen Schäden in der Leber und im Darm kommen. Auch auf das Auge hat das Virus schädigende Auswirkungen, es kann zur Erblindung kommen. Bei Ungeborenen können Wachstumsverzögerungen und Hörschäden auftreten. Spätfolgen äußern sich in neurologischen Schäden.
Wurde keine Prophylaxe mit Letermovir durchgeführt, kann eine Behandlung mit dem Virostatikum Ganciclovir erfolgen. Bei mangelndem Therapierfolg aufgrund von Resistenzen kann mit anderen Virostatika wie Foscavir und Cidofovir behandelt werden. Als Erhaltungstherapie kommt häufig Valganciclovir zum Einsatz. Alle Medikamente gehen jedoch mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen wie Myelo- beziehungsweise Nephrotoxizität einher. Der Einsatz dieser Medikamente stellt bei Kindern immer einen Off-Label-Use dar. Da CMV, wie alle Herpesviren, in die Latenz übergehen, ist keine Elimination zu erreichen, sondern nur eine Hemmung der Virusvermehrung.