Lyrica-Missbrauch steigt APOTHEKE ADHOC, 02.11.2015 17:21 Uhr
Lyrica macht weiter Schlagzeilen. In Norddeutschland warnen Ärzte und Apotheker vor gestiegenen Missbrauchszahlen von Lyrica, welches in hohen Dosen rauschhafte Zustände hervorruft.
Die Sachlage ist nicht neu. Bereits 2011 wurden erste Warnhinweise zum abhängigkeitsmachenden Potenzial von Lyrica veröffentlicht. Neben der gewünschten Wirkung gegen neuropathische Schmerzen, Epilepsie und generalisierte Angststörungen wirkt Pregabalin auch entspannend und sedierend. Dies ist nach Einschätzung der Landesärztekammer Baden-Württemberg der Auslöser für die Abhängigkeit.
Pregabalin ist ein Analogon der Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Er bindet an eine Untereinheit spannungsabhängiger Calciumkanäle im zentralen Nervensystem und moduliert dort die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter. Neben der entspannenden Wirkung ruft der Wirkstoff in hohen Dosen euphorische Zustände hervor.
Entzugskliniken und medizinische Notfalleinrichtungen berichteten von Patienten, die mit schweren Vergiftungen eingeliefert wurden. Patienten hatten teilweise bis zu 7500 mg Pregabalin eingenommen, mehr als das zehnfache der Tageshöchstdosis. Insbesondere heroinabhängige und Patienten in Substitutionsbehandlung zeigten häufig eine Pregabalin-Abhängigkeit.
Das hohe Missbrauchspotenzial des Antikonvulsivums ist in den Fachinformationen als Warnhinweis beschrieben. Dennoch gehen die Verschreibungszahlen des Präparates offenbar deutlich nach oben. Nach Meinung des Suchtmediziners Uwe Schwichtenberg vom Ameos-Klinikum in Osnabrück hätten viele Ärzte das Gefahrenpotenzial des Medikamentes noch nicht erkannt.
Das Abhängigkeitspotenzial von Lyrica werde nach wie vor unterschätzt. Das Medikament werde häufig völlig wahllos verschrieben, sagte der Mediziner der neuen Osnabrücker Zeitung. In der Osnabrücker Klinik steige die Zahl der Lyrica-Abhängigen rasant.
Hans-Georg Heinze, Inhaber der Liebig-Apotheke in Osnabrück, bestätigt diesen Eindruck – ohne das Verschreibungsverhalten der Ärzte bewerten zu wollen. Gegenüber der Osnabrücker Zeitung bestätigte er, dass die Verschreibung von Lyrica in den letzten drei bis vier Jahren enorm zugenommen habe. Genauere Zahlen wollte Liebig auf Nachfrage nicht nennen.
Ärzte sollten beim Verschreiben des Antiepileptikums deutlich sparsamer zu sein, fordert Schwichtenberg. Auch Apotheker sind aufgefordert, Patienten besonders aufzuklären: Hersteller Pfizer weist ausdrücklich darauf hin, Patienten mit Drogenmissbrauch in der Vorgeschichte zu überwachen. Bei Hinweisen auf einen Missbrauch oder Abhängigkeit von Pregabalin soll umgehend mit einer ausschleichenden Abdosierung begonnen werden.
In der Datenbank des deutschen Spontanmeldesystems wurden innerhalb der ersten sechs Jahre nach Markteinführung etwa 1200 Berichte unerwünschter Arzneimittelwirkungen von Pregabalin erfasst. Darunter befinden sich mehrere Fälle von Arzneimittelabhängigkeit und -missbrauch. Eine genaue Zahl wird nicht genannt.
Pregabalin ist seit 2004 in Deutschland im Handel. Seit einem Jahr ist es als Zusatztherapie bei partiellen epileptischen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung sowie zur Behandlung von generalisierter Angststörung patentfrei. Die Anwendung zur Behandlung neuropathischer Schmerzen hat Pfizer noch exklusiv bis Juli 2017.