Gendiagnostik

Wangenabstrich in der Apotheke

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Berlin -

Die US-Apothekenkette Rite Aid bietet seit kurzem einen besonderen Service: Patienten können per Gentest prüfen lassen, ob die verschriebenen Medikamente erfolgversprechend sind. Die Proben werden dabei nicht beim Arzt, sondern direkt in der Apotheke genommen. Realisiert wurde das Projekt gemeinsam mit der Biotechfirma Harmonyx. Die Apotheker sollen speziell für die Beratung geschult werden und gemeinsam mit dem Arzt auch Anpassungen der Therapie durchführen.

Nach dem Willen von Rite Aid sollen DNA-Tests im großen Stil an die Kunden gebracht werden. Das Besondere daran: Der Gang zum Arzt ist dabei zunächst nicht nötig, die Apotheker können als erste Ansprechpartner fungieren. Harmonyx hat Gentests entwickelt, bei denen Patienten durch einen einfachen Wangenabstrich ihre genetischen Voraussetzungen zur Therapiesicherheit verschiedener Wirkstoffe prüfen lassen können.

Die Testkits selbst sind bereits seit Anfang des Jahres erhältlich. Jetzt hat Harmonyx mit Rite Aid einen großen Partner an Land gezogen, mit dem die flächendeckende Verbreitung sichergestellt werden soll. Vier verschiedene Indikationsfelder können bislang untersucht werden: Für ADHS, chronische Schmerz, die Statintherapie und die Thrombozytenaggregationshemmung sind jeweils passende Kits verfügbar.

Harmonyx analysiert die Genexpression verschiedener pharmakokinetischer Enzyme der CYP-Familie. Entschiedet man sich beispielsweise für das Gerinnungshemmer-Kit, wird das CYP2C19-Gen untersucht. Von diesem Gen sind bislang mehr als 15 verschiedene Varianten bekannt. 30 Prozent der Patienten exprimieren die Gentypen, deren Enzyme den Gerinnungshemmer Clopidogrel schneller im Körper abbauen und dadurch weniger effektiv machen. Mit einer Dosisanpassung kann diesen Schnell-Metabolisierern geholfen werden.

Auf ähnliche Weise funktionieren auch die anderen Untersuchungen. Die Gentests lassen auf den Phänotyp der Patienten schließen und feststellen, wie schnell die verabreichten Medikamente im Körper abgebaut werden. Im Schmerzbereich besteht die Möglichkeit, die Effektivität nahezu aller auf dem Markt befindlichen Opioid-Analgetika, aber auch von einigen NSAR wie Ibuprofen untersuchen zu lassen.

Auch andere Apotheken können sich für das Programm anmelden. Die Testkits werden von Harmonyx an die Apotheke geschickt, der Abstrich des Patienten wird unter pharmazeutischer Aufsicht durchgeführt. Per Post wird die Probe anschließend zur Analyse ins Labor geschickt. Die Auswertung erfolgt innerhalb von 24 bis 72 Stunden.

Voraussetzung ist in jedem Fall das Einverständnis des Patienten und des behandelnden Arztes, der allerdings erst in die Auswertung des Tests eingebunden wird. Sowohl Arzt als auch Apotheker werden über ein Online-Portal über die Ergebnisse der Tests informiert. Harmonyx spricht dabei gleich Empfehlungen aus: Die passenden Medikamente werden in erste, zweite und dritte Wahl eingeteilt, je nach individuellem genetischen Profil. Anschießend sollen Arzt und Apotheker gemeinsam über die Therapie und eine möglicherweise notwendige Anpassung der Medikation oder der Dosierung entscheiden. Der Patient selbst erhält seine Ergebnisse nicht.

Rite Aid betrachtet das Programm als wichtigen Schritt in Richtung Patientensicherheit. Die Tests sollen dazu beitragen, das Medikationsmanagement noch effektiver zu machen und dabei unnötige Nebenwirkungen zu vermeiden. Landesweit sind die Kits in 4000 Apotheken erhältlich. Pro Untersuchung muss der Patient 99 US-Dollar zahlen.

Prädiktive Gendiagnostik gilt als ein Feld der Zukunft. In Deutschland gibt es bereits Versuche, Gentests zu kommerzialisieren: 2013 hatte Stada einen Statin-Test auf den Markt gebracht, der ermittelt, welches der sechs untersuchten Statine in welcher Dosierung optimal wirkt und dabei das geringste Nebenwirkungsrisiko aufweist. Das Testkit wird in der Apotheke gekauft, dann erfolgt eine Blutabnahme und die weitere Betreuung durch den Arzt.

Inzwischen bietet Stada in Kooperation mit der Biotechfirma Humatrix vier Versionen für verschiedene Wirkstoffklassen zu Preisen zwischen 160 und 400 Euro an. Die Zahl der Nutzer wächst nach Angaben von Humatrix stetig. Besonders beliebt sei bei Ärzten wie Patienten dabei der Antidepressiva-Test.

Durch die genetische Untersuchung kann vorhergesagt werden, welche Wirkstoffe am erfolgversprechendsten sind. Dadurch könne den Patienten die oft langwierige Phase des Ausprobierens verschiedener Wirkstoffe erspart werden, so ein Humatrix-Sprecher.

Parallel gibt es das Programm Stratipharm, bei dem gleich ein kompletter Gensatz analysiert und auf einer Chipkarte gespeichert wird. Wenn er ein neues Medikament verordnet bekommt, muss der Kunde die Karte in der Apotheke vorlegen. Dort werden die gespeicherten Ergebnisse mit der Online-Datenbank abgeglichen, in der wissenschaftliche Empfehlungen, Hinweise oder Warnungen enthalten sind.

Die Startpakete werden derzeit in rund 100 Apotheken angeboten und kosten knapp 200 Euro. Pro Wirkstoffprüfung fallen für den Kunden 75 Euro an. Insgesamt gibt es laut Humatrix-Chefin Dr. Anna Carina Eichhorn rund 100 Marker auf 30 Genen, die pharmakogenetisch relevant sind.

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