PPI-Verordnung: Zu häufig, zu lange, zu unbedacht Cynthia Möthrath, 20.04.2022 11:55 Uhr
Protonenpumpeninhibitoren (PPI) gehen tagtäglich über den HV-Tisch der Apotheken. Oft handelt es sich dabei um Dauerverordnungen, manchmal werden auch die rezeptfreien Varianten gewünscht. Expert:innen sind sich einig: Insgesamt werden die sogenannten „Magensäureblocker“ zu häufig und zu unbedacht verordnet und eingenommen. Durch die Einnahme können auf Dauer Nebenwirkungen und Risiken entstehen, welche unterschätzt werden.
Zur Behandlung von Sodbrennen stehen verschiedenste Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung: Neben neutralisierenden Antazida kommen auch gelbildende und schleimhautschützende Präparate zum Einsatz – und PPI wie Pantoprazol und Omeprazol. Während in der Selbstmedikation maximal 14 Tabletten mit einer Stärke von 20 mg abgegeben werden dürfen, finden sich auf Rezepten meist die Großpackungen. In vielen Fällen haben die Magensäureblocker ihren festen Platz auf dem Medikationsplan. Oft werden sie auch als prophylaktischer „Magenschutz“ verordnet, wenn Schmerzmittel eingenommen werden oder eine Polymedikation besteht.
PPI: Zwischen Kritik und Zuspruch
Die Chefärztin der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie am Marienhospital Osnabrück, Dr. Kerstin Schütte, spricht von einer Revolution: „Die sogenannten Protonenpumpeninhibitoren haben die Behandlung von säurebedingten Erkrankungen revolutioniert und gehören nicht ohne Grund zu den wichtigsten Medikamenten in der Gastroenterologie“, erklärt sie gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Dennoch warnt sie vor den Nebenwirkungen: Denn die Wirkstoffgruppe werde in einer Zahl verordnet und verkauft, die sich längst nicht mehr medizinisch rechtfertigen lasse. Laut der Barmer Ersatzkasse wurde im Jahr 2019 mehr als jedem siebten Bundesbürger ein Rezept für PPI ausgestellt. Oft auch bei unspezifischen Symptomen wie Magenschmerzen – ohne, dass eine vermehrte Säureproduktion die Ursache darstellt. Bei Kindern und Jugendlichen stiegen die Verschreibungen von 2006 bis 2018 sogar um 170 Prozent an.
Einmal verordnet, immer genommen
Eine große Hürde ist, dass PPI nach der ersten Verordnung einfach weiter eingenommen werden. „Es gibt das Problem, dass zum Beispiel Kliniken Patienten mit einer Medikation ohne Angabe einer Therapiedauer entlassen und diese vom Hausarzt dann oft fortgeführt und viel zu selten hinterfragt und geändert wird“, erklärt Schütte. Oft komme es dann zu einer jahrelangen Behandlung – die nur selten notwendig ist. Das wird auch in Apotheken beobachtet.
Rebound, B12-Mangel & Co.: Dauereinnahme mit Risiken
So gut die Mittel für den Akutbedarf sind, so schädlich können sie auf Dauer werden. Denn die Liste der Nebenwirkungen ist lang. Unter anderem stehen PPI im Verdacht Osteoporose und Knochenbrüche sowie Demenz und Nierenschäden zu begünstigen. Vor allem letzteres wurde in vergangenen Studien untermauert. Schütte rät deshalb dazu, PPI „wie jedes andere Medikament nur mit Bedacht zu wählen“: „Der Grund für die Einnahme muss wirklich gerechtfertigt sein, dann der Nutzen und die Risiken abgewogen und die Medikation regelmäßig infrage gestellt werden.“ Es handle sich nicht um Lifestyleprodukte.
Je länger die Präparate eingenommen werden, um so schwieriger kann das Absetzen sein. Denn häufig kommt es dann zu einem Rebound-Effekt: Es wird in kurzer Zeit wieder vermehrt Magensäure gebildet, wodurch es zu den typischen Beschwerden des Refluxes kommt. Betroffene neigen dann dazu, wieder mit der Therapie zu beginnen. Der Kreislauf beginnt von vorn.
Oft ist bei Patient:innen mit Langzeiteinnahme außerdem ein Vitamin B12-Mangel zu beobachten: Denn für die Abspaltung von Vitamin B12 aus Nahrungsproteinen ist Magensäure erforderlich. Wird diese jedoch blockiert, wird auch B12 nur unzureichend aufgenommen. Ein Mangel des Vitamins kann zu neurologischen Beschwerden und Anämien führen.
Wie wirken PPI?
PPI verhindern die Sekretion der Magensäure durch eine spezifische Hemmung der Protonenpumpe. Die verminderte Freisetzung der Magensäure ist reversibel. Die Wirkstoffe sind säureempfindlich und daher mit einem magensaftresistenten Überzug versehen. Daher können sie erst im Dünndarm resorbiert werden.
Die jeweiligen Prodrugs gelangen über den Blutkreislauf an die Belegzellen im Magen und werden dort durch die Säure in ihre eigentliche Wirkform überführt. Durch Bindung an die H+/K+-ATPase wird die Protonenpumpe an der Freisetzung der Magensäure irreversibel gehemmt. Die lange Wirkdauer beruht auf der Neubildung der H/K-ATPase, die etwa ein bis drei Tage in Anspruch nimmt.