Lieferengpässe

Polio-Impfstoffe: Zittern bis KW 43 APOTHEKE ADHOC, 28.09.2016 14:09 Uhr

Berlin - 

Die Auffrischimpfung gegen Kinderlähmung könnte bis Ende Oktober eine Zitterpartie werden. Aktuell ist nur eine einzige Vakzine lieferbar. Der Hersteller hofft, die steigende Nachfrage bedienen und ein Ausweichen auf Not-Importe verhindern zu können. In vier Wochen soll sich die Lage entspannen – dann soll der Engpass behoben sein.

Aktuell ist nur noch ein einziger Impfstoff gegen Polio im Kinder- und Erwachsenenalter lieferbar: Revaxis von Sanofi Pasteur MSD (SPMSD). Die Vakzine schützt zusätzlich vor Tetanus und Diphtherie und kann ab fünf Jahren eingesetzt werden. Der Hersteller ist zuversichtlich, die zusätzlichen Mengen liefern zu können.

Dafür ist derzeit überhaupt nicht abzusehen, wann Repevax wieder erhältlich sein wird. Der Impfstoff kann ab drei Jahren eingesetzt werden und schützt vor Polio, Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten.

GlaxoSmithKline (GSK) will das Konkurrenzprodukt Boostrix Polio ab Kalenderwoche 43 als Großpackung à 10 Spritzen wieder ausliefern; vor zwei Wochen hatte der Hersteller das Präparat defekt gemeldet. Die Einzelspritze des Impfstoffs, der ab dem vierten Geburtstag angewendet werden kann, ist seit Mai nicht mehr erhältlich und frühestens Anfang kommenden Jahres wieder verfügbar.

Der Einzelimpfstoff IPV Mérieux fehlt seit August in der Großpackung; seit Kurzem ist auch die Packung mit einer Spritze nicht zu bekommen. Vor November ist laut SPMSD nicht mit Nachschub zu rechnen.

Laut IMS Health verabreichen die Ärzte pro Jahr knapp drei Millionen Dosen Revaxis. Noch einmal so oft werden Boostrix Polio und Repevax eingesetzt. IPV Mérieux und die unter beiden Reimporte von Eurim und Kohl (Imovax Polio) kommen auf 350.000 Dosen.

Die Standardimpfung gegen Polio wird im Säuglingsalter mit den üblichen Kombinationsimpfstoffen abgedeckt, eine Auffrischimpfung wird im Alter zwischen 9 und 18 Jahren durchgeführt, auch Erwachsene ohne kompletten Impfschutz, Reisende in Risikogebiete und medizinisches Personal beziehungsweise Mitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften sollten nach zehn Jahren neu geimpft werden.

Die Probleme mit den entsprechenden Vakzinen dauern mit Unterbrechungen bereits seit einem Jahr an. Das Problem liegt Experten zufolge in der azellulären Pertussis-Komponente: Die Herstellung von entsprechenden Kombinationsimpfstoffen gehöre zu den komplexesten überhaupt und sei verbunden mit einer Vielzahl von Herstellungs- und Kontrollschritten. Bei SPMSD ist die Produktion seit 2014 kontinuierlich gesteigert worden, um die weltweit stark angestiegene Nachfrage bedienen zu können.

Laut STIKO sollten Ärzte bei Lieferengpässen auf verfügbare Impfstoffe mit vergleichbarem Antigengehalt zurückgreifen. Verfügbarkeiten von Impfstoffen sollten möglichst in mehreren Lieferapotheken abgefragt werden. Sind Kombinationsimpfstoffe nicht verfügbar, kann auch simultan mit niedriger valenten Kombinations- oder Einzelimpfstoffen geimpft werden.

Ansonsten sollte priorisiert werden. Bei vollständiger Grundimmunisierung können Auffrischimpfungen verschoben werden. Die empfohlenen Zeitintervalle für Auffrischimpfungen erlauben laut STIKO eine gewisse Flexibilität. Für verschobene Impfungen sollte aber ein Erinnerungssystem eingerichtet werden, das bei Wiederverfügbarkeit von Impfstoffen an neue Impftermine erinnert.

Im Frühsommer war es zum Notstand bei den sechsvalenten Impfstoffen Infanrix hexa (GSK) oder Hexyon (Sanofi Pasteur MSD) gekommen: Beide Vakzine zur Grundimmunisierung von Säuglingen waren komplett ausverkauft. Nur über Notimporte konnte die Versorgung gewährleistet werdenein bis dahin beispielloser Vorgang.