Plasmatherapie: „Mangel an vertrauenswürdiger Evidenz“ APOTHEKE ADHOC, 26.05.2020 16:49 Uhr
Eine mögliche Therapieoption für Patienten mit Covid-19 ist die Verabreichung von Blutplasma. Bisher ist die Datenlage diesbezüglich jedoch dünn – die wenigen abgeschlossenen Studien sind Experten zufolge wenig aussagekräftig. In Zukunft könnten jedoch weitere laufende Studien Klarheit bringen.
Für eine Plasmatherapie können zwei Arten von Plasma zum Einsatz kommen: Entweder das sogenannte „Rekonvaleszentenplasma“ von genesenen Covid-Patienten oder auch ein Hyperimmunserum, welches besonders hohe Antikörperkonzentrationen aufweist und aus Blutplasma-Spenden gewonnen wird. Beide Varianten sollen Infizierten helfen können, Covid-19 besser zu überstehen.
Nur wenige Studien bisher abgeschlossen
Doch die Datenlage ist dünn: Lediglich acht Studien mit nur 32 Teilnehmern wurden bisher abgeschlossen. Experten verweisen in einem aktuellen Cochrane Rapid Review auf „einen Mangel an vertrauenswürdiger Evidenz“. Derzeit noch laufende Studien könnten jedoch Licht ins Dunkel bringen.
Die Autoren des Reviews bemängeln neben der geringen Aussagekraft aufgrund der Teilnehmerzahl auch das Design der Studien: Denn in keiner Studie wurden die Probanden für verschiedene Gruppen randomisiert – Vergleichsgruppen mit Patienten, die keine Plasmatherapie erhielten, gibt es nicht. Neben der Therapie erhielten die Teilnehmer außerdem weitere Behandlungen, die eine konkrete Bewertung der Auswirkungen durch die Plasmatherapie erschweren.
Effekt weiterhin unklar
Zusammenfassend sei daher bisher noch immer unklar, ob die Verwendung von Rekonvaleszenten-Plasma Patienten mit Covid-19 helfe. Auch in Bezug auf die Sicherheit der Behandlung gibt es noch immer keine konkreten Hinweise. Denn die Durchführung ist vergleichsweise aufwendig und durch die Verabreichung von Fremdserum kann es zu immunologischen Reaktionen kommen, die den Zustand der Patienten auch negativ beeinflussen könnten.
Eine Veröffentlichung in „medRxiv“, einem Portal in dem wissenschaftliche Fachpublikationen als unbegutachte Manuskripte vor der formalen Veröffentlichung eingesehen werden können, konnte zeigen, dass zumindest die Überlebenschancen von nicht-beatmeten Covid-Patienten verbessert werden könnten. Am Mount Sinai Hospital in Manhattan wurden in den vergangenen Wochen insgesamt 39 Covid-Patienten behandelt und deren Therapie und Zustand dokumentiert – damit handelt es sich um die bisher weltweit größte Behandlungsserie mit Plasma gegen Covid-19. Allerdings wurden die Patienten nicht im Rahmen einer Studie behandelt – daher sind die Ergebnisse auch hier mit Vorsicht zu betrachten.
In der Untersuchung wurden jedem Serumtherapie-Patienten vier Patienten mit gleichen Eigenschaften gegenübergestellt: Patienten, die eine solche Therapie erhalten hatten, erholten sich demnach häufiger. Nur bei 18 Prozent kam es zu einer Verschlechterung des Zustandes bis Tag 14. In einer Kontrollgruppe ohne Plasmatherapie verschlechterte sich der Zustand hingegen bei 24,3 Prozent. Außerdem war in der Plasma-Gruppe seltener ein Rückgang der Sauerstoffsättigung zu beobachten.
Vorteile für nicht-intubierte Patienten?
Dennoch sind in der Serum-Gruppe 12,8 Prozent der Patienten verstorben, in der Kontrollgruppe waren es 24,4 Prozent. Insgesamt 71,8 Prozent konnten nach der Serumtherapie lebend aus der Klinik entlassen werden gegenüber 66,7 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Serumbehandlung. Die Vorteile ließen sich vor allem bei nicht-intubierten Patienten verzeichnen. Gegenüber der Kontrollgruppe wurde ein um 81 Prozent vermindertes Sterberisiko berechnet. Möglicherweise sei dies der Fall, da sich die Wirkung der Plasmatherapie erst nach mehr als einer Woche vollständig zeige – für schwere Verläufe, die mechanisch beatmet werden müssen, sei diese Dauer scheinbar zu lang.
Weitere Ergebnisse erwartet
Die noch folgenden randomisierten Studien könnten bald weitere Ergebnisse liefern. Die Forschung in diesem Bereich laufe auf Hochtouren – derzeit würden etwa 50 Studien laufen, 22 davon sind randomisiert. Möglicherweise könnten vor allem letztere über eine höhere Aussagekraft verfügen und Klarheit bringen, erklären die Autoren.