Die Verschreibung von Antibiotika ist immer wieder umstritten: Häufig wird kritisiert, dass sie zu schnell und zu häufig verordnet werden. Hamburger Ärzte sollen künftig mit einem Schnelltest prüfen können, ob ein Antibiotikum nötig ist berichtet „Die Welt“. Dadurch soll die Zahl falscher Verschreibungen reduziert werden. Das Modellprojekt wird von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel wissenschaftlich begleitet. Sollte sich der Schnelltest bewähren, könnte das Verfahren bald auch bundesweit eingesetzt werden.
Allein in Hamburg verordnen Ärzte jedes Jahr rund 500.000 Antibiotika, heißt es im Beitrag. Allerdings wäre das nicht immer notwendig: Denn in jedem dritten Fall ist das Medikament für die jeweilige Erkrankung ungeeignet. Für die Betroffenen kann dies schwere Folgen haben, denn mit der Einnahmehäufigkeit steigt auch das Risiko eine Resistenz gegen die verfügbaren Arzneimittel zu entwickeln.
Mit einem bundesweiten Pilotprojekt wollen Hamburger Ärzte und Krankenkassen dem nun entgegenwirken: Mithilfe eines neuen Blutschnelltests sollen die Verordnungen reduziert werden. Innerhalb weniger Minuten kann mit dem Test ermittelt werden, ob eine virale oder bakterielle Erkrankung vorliegt. Der Test, der von der Mehrzahl der Krankenkassen bezahlt wird, steht den etwa 1500 Haus-, HNO- und Kinderärzten ab sofort zur Verfügung berichtet „Die Welt.“ Die Funktionsweise ähnelt einem Blutzuckertest: Er zeigt an, ob im Körper bakteriell bedingte Entzündungswerte vorhanden sind. Genutzt wird hierfür das bei schweren bakteriellen Infektionen ansteigende C-reaktive Protein (CRP).
Bislang mussten Blutproben aufwendig im Labor untersucht werden: Das Ergebnis lag dann erst zwei Tage später vor. „Das war unpraktisch und wurde deshalb so gut wie nie genutzt“, heißt es. Mit dem neuen Test können Ärzte unmittelbar nach der Untersuchung entscheiden, ob ein Antibiotikum sinnvoll ist oder nicht. Schließlich helfen die Wirkstoffe nur bei bakteriellen Erkrankungen – nicht aber bei durch Viren verursachte Erkältungen, wie viele Patienten immer noch glauben. Walter Plassmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) erklärt im Beitrag: „Wir hören immer wieder, dass Patienten Druck ausüben, um Antibiotika verordnet zu bekommen. Mit dem Test können ihnen mögliche Sorgen genommen werden.“
Schon seit Jahren versuche die Ärzteschaft, über die richtige Verordnung von Antibiotika aufzuklären. Mit einer eigenen Kampagne zu dem Thema wandte sich die KVH an Ärzte und Patienten. Erste Erfolge konnten demnach bereits verzeichnet werden: Seit 2012 geht die Zahl der verschriebenen Antibiotika kontinuierlich zurück, gerade Kinderärzte verordnen signifikant weniger. Wie viele von den 1500 niedergelassenen Ärzten den Schnelltest anbieten, ist noch offen. Denn die Ärzte müssen zuvor ein Gerät für 1000 Euro erwerben und sich schulen lassen. „Es wird sicher auch diesmal ein wenig dauern, bis sich das überall herumgesprochen hat“, erklärt Plassmann im Beitrag.
Wie „Die Welt“ berichtet, werden in Deutschland jährlich 700 Tonnen Antibiotika verbraucht – die Tiermedizin nicht eingerechnet. Mittlerweile habe dies auch Auswirkungen auf das Ökosystem: Viele Gewässer seien inzwischen mit Antibiotika belastet. Da ein Teil des Wirkstoffes von Mensch und Tier wieder ausgeschieden werde oder nicht verbrauchte Pillen gar in der Toilette entsorgt werden, lasse sich in den meisten Flüssen Antibiotikarückstände nachweisen.
Die Mehrzahl der Krankenkassen – darunter AOK Rheinland/Hamburg, BKK, DAK-Gesundheit und IKK – unterstützt das Verfahren. Patienten, deren Krankenkassen sich aktuell nicht an dem Projekt beteiligen, können den Test aber ebenfalls nutzen. Die Kosten in Höhe von 4,90 Euro müssen dann jedoch selbst gezahlt werden. Dirk Janssen, stellvertretender Vorstand des BKK-Landesverbandes Nordwest, sprach angesichts des neuen Schnellverfahrens im Beitrag von einem „Durchbruch“: „Die Verordnung von Antibiotikum war ein Sorgenkind der Krankenkassen. 80 bis 90 Prozent der Atemwegsinfekte – zu denen Erkältungen oder Grippe gehören – sind durch Viren verursacht. Antibiotika helfen hier nicht. Und trotzdem nimmt deren Einsatz gerade in den Wintermonaten zu.“
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