Pillenrezept für 11-Jährige Deniz Cicek-Görkem, 30.08.2017 11:41 Uhr
Während in den vergangenen Jahren das öffentliche Interesse an den Nebenwirkungen der Antibabypille gewachsen ist, sinkt auf der anderen Seite das Alter der Anwenderinnen. Diesen Trend beobachtete die Siemens-Betriebskasse (SBK) in einer aktuellen Untersuchung.
Die SBK analysierte die Zahlen zu den Verordnungen hormoneller Kontrazeptiva des aktuell laufenden Kalenderjahres. Zur Auswertung wurde nicht zwischen Pille und Hormonspirale unterschieden. Die Untersuchung zeigt, dass bereits ein Prozent ihrer Versicherten unter 15 Jahren ein Verhütungsmittel verordnet bekommen haben, das sind 210 Mädchen. Die Zahl sei Vergleich zu 2015 um ein Vielfaches angestiegen: Da wurden knapp 45 Verordnungen ausgestellt, was einem Wert knapp über null Prozent entspricht, so die Kasse.
Aber auch bei den 15- und 16-Jährigen wurde die Entwicklung deutlich: Die Anzahl der ausgestellten Kassenrezepte im ersten halben Jahr von 2017 entsprächen fast der Zahl der Rezepte des gesamten vergangen Jahres. Etwa 19 Prozent der versicherten jungen Frauen in diesem Alter wurden der Analyse zufolge ein Kontrazeptivum verordnet, 2015 lag dieser Wert bei 8 Prozent. Die Auswertung stellt dar, dass bei insgesamt unwesentlich veränderten Verschreibungszahlen die Anwenderinnen immer jünger werden.
„In diesem Jahr wurde unter anderem einem elfjährigen Mädchen hormonelle Verhütung verordnet“, so die SBK. Auch die Zahl der 12- und 13-Jährigen steige deutlich an. 2015 waren noch zehn Dreizehnjährige die jüngsten Nutzerinnen. „Besonders diese jungen Altersgruppen scheinen sich von der aktuellen Diskussion rund um die Nebenwirkungen hormoneller Verhütung somit kaum beeinflussen lassen.“
Kürzlich hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um das Verordnungsverhalten der Ärzte zu analysieren. Dabei kam heraus, dass Präparate, deren Risiko bislang unbekannt ist, verstärkt verschrieben wurden. Außerdem wurde deutlich, dass zwischen 14 und 19 Jahren die Pille mit 53 Prozent das am häufigsten eingesetzte Verhütungsmittel ist. Von den etwa 71 Millionen Kassenpatienten fallen rund 3 Millionen Versicherte in die berücksichtigte Altersgruppe, von denen erhielten etwa 1,1 Millionen Frauen zwischen 10 und 20 Jahren kombinierte hormonale Kontrazeptiva als Tablette, transdermales Pflaster oder vaginales Freisetzungssystem.
Ein Mindestalter für die Verordnung der Kontrazeptiva findet sich in den Fachinformationen nicht. Vielmehr berücksichtigt der Frauenarzt bei der Erstanamnese viele Faktoren, beispielsweise spielen biologische und psychische Reife eine Rolle. Aber auch Risikofaktoren für Nebenwirkungen wie Rauchen oder Übergewicht sind für die Entscheidung von Belang.
Die Kosten der hormonellen Kontrazeptiva übernimmt bis zum 20. Lebensjahr die Krankenkasse. Aber nicht nur zur Verhütung werden die Präparate eingesetzt. Weitere Indikationen der hormonhaltigen Arzneimittel sind Dysmennorhoe, Akne oder Hirsutismus.