Orale Kontrazeptiva stehen in Deutschland ganz oben auf der Liste der Verhütungsmittel. Dass die Einnahme der Hormonpräprate zu unangenehmen und teilweise gefährlichen Nebenwirkungen führen kann, ist mittlerweile bekannt. Eine repräsentative Umfrage des Startups Medikura in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Promio stellt die Auswirkungen dar und macht auf die Hemmschwelle bei der Meldung von Nebenwirkungen aufmerksam.
An der Umfrage nahmen 1276 Frauen im Alter von 25 bis 60 Jahren teil. Knapp die Hälfte verwendete Verhütungsmittel: 63 Prozent davon nahmen orale Kontrazeptiva ein, 28 Prozent verwendeten Kondome, 12 Prozent die Spirale. Nuvaring und Kupferkette bildeten mit 4 und 3 Prozent das Schlusslicht. Die Studie dokumentierte die Nebenwirkungen: Von Zwischenblutungen, Pigmentflecken, Kopfschmerzen, Wassereinlagerungen und Libido-Verlust bis hin zu Thrombosen und Krebserkrankungen sowie Depressionen mit Suizidgedanken war alles vertreten.
72 Prozent der Frauen gaben an, die Pille wegen Nebenwirkungen schon einmal gewechselt zu haben, 27 Prozent der Teilnehmerinnen sogar schon mehrfach. Ein Drittel hat das Hormonpräparat jedoch trotz der unangenehmen Nebenwirkungen nicht gewechselt oder abgesetzt. Das liege auch am fehlenden Bewusstsein für die Nebenwirkungen von Medikamenten. „Frauen unterschätzen die Risiken von Hormonpräparaten immer noch, weil viele ihre Beschwerden gar nicht mit der Pille in Verbindung bringen“, erklärt Dr. Friderike Bruchmann, Geschäftsführerin von Medikura. Handlungs- und Aufklärungsbedarf bestehe beispielsweise bei der Einführung neuer Varianten der Pille: Vielfach kämen diese ohne Langzeitstudien auf den Markt. Daher sei es unerlässlich, dass Frauen eventuelle Nebenwirkungen bei der Einnahme auch meldeten.
Obwohl jedes Jahr sechs Millionen Menschen unter den Nebenwirkungen von Medikamenten litten, würden in Deutschland nur etwa 1 Prozent aller Nebenwirkungen gemeldet. Dies könne am bisher sehr komplexen Meldeprozess liegen: Hoher Dokumentationsaufwand, analoge Systeme und teils fehlende Informationen stellten eine große Hemmschwelle dar – nicht nur für Patienten, sondern auch für Ärzte, Apotheker und andere medizinische Fachkreise. „Mit Nebenwirkungen.de wollen wir die Sicherheit von Arzneimitteln erhöhen und Informationen zu Medikamenten in Echtzeit austauschen“, erklärt Bruchmann.
Der Problematik von Depressionen unter Einnahme der Pille nahm sich im November vergangenen Jahres die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) an: Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz (PRAC) empfahl, die Fach- und Gebrauchsinformationen um einen entsprechenden Warnhinweis zu erweitern. Ein Rote-Hand-Brief informierte über die Risiken der Hormoneinnahme: Unter einer Therapie kann Suizidalität als Folge einer Depression auftreten. Die Hersteller kommen nun seit Anfang des Jahres der Empfehlung des PRAC nach und erweitern die Fach- und Gebrauchsinformationen.
Die Empfehlung des PRAC war auf eine Signalbewertung zurückzuführen: Experten hatten hormonelle Kontrazeptiva in Bezug auf ein mögliches Risiko für Suizid und Suizidversuch bewertet. Das Gremium zog für das Verfahren die im „American Journal of Psychiatry“ veröffentlichten Studienergebnisse heran.
Eine dänische Studie untersuchte das Risiko für einen Suizid und Suizidversuch bei Verwenderinnen hormoneller Kontrazeptiva. Die Forscher bezogen in die prospektive Kohortenstudie von 1996 bis 2013 landesweit alle Frauen ein, die im Studienzeitraum 15 Jahre alt waren und zuvor keine psychiatrische Diagnose, Antidepressiva oder hormonelle Kontrazeptiva erhalten hatten. Es ergaben sich Daten von etwa einer halben Millionen Frauen. Während des Beobachtungszeitraums wurden 6999 Suizidversuche und 71 vollzogene Suizide dokumentiert. Im Vergleich zu Frauen, die hormonfrei verhüteten, war das relative Risiko für einen ersten Suizidversuch um das 1,97-Fache und für einen Suizid um das 3,08-Fache bei den Verwenderinnen erhöht.
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