Für Männer gibt es aktuell nicht viele Möglichkeiten zur Verhütung einer Schwangerschaft – neben der Benutzung von Kondomen nur die Vasektomie. Neuentwicklungen von Verhütungsmitteln für den Mann zielen eher auf die Blockade der Spermienentwicklung ab und sind unflexibel einsetzbar. Das soll sich nun mit einer Bedarfsverhütung ändern: Der Mann nimmt dabei kurz vor dem Sex eine Antibabypille ein.
Die in Erforschung befindlichen Verhütungsmittel für den Mann zielen auf die Spermatogenese ab. Der hormonelle Eingriff kann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen, außerdem müssen die Präparate mit einem langen Vorlauf kontinuierlich eingenommen werden. Darunter leidet die Flexibilität.
Eine hormonfreie und spontan einzusetzende Antibabypille für den Mann könnte laut einer aktuellen US-Studie nun endlich den Durchbruch bringen. Jochen Buck und Lonny Levin vom Weill Cornell Medical College in New York forschten an dem Wirkstoff TDI-11861. Dieser wurde erstmals erfolgreich an Mäusen getestet.
Laut den Studienergebnissen konnte die Unfruchtbarkeit der männlichen Mäuse nach Einnahme des Wirkstoffes für zwei Stunden belegt werden. Alle Paarungsversuche der Tiere blieben erfolglos, kein Weibchen wurde schwanger. Die Beweglichkeit der Spermien und damit die Fruchtbarkeit waren aber nach 24 Stunden wieder vollständig hergestellt. Auch unerwünschte Nebenwirkungen sollen laut Studienergebnissen in einem Zeitraum von sechs Wochen bei kontinuierlicher Einnahme des Wirkstoffes ausgeblieben sein.
TDI-11861 hemmt in männlichen Mäusen die lösliche Adenylcyclase (sAC). Diese ist für die Beweglichkeit und Reifung der Spermien unerlässlich. Als Einzeldosis kann der Wirkstoff männliche Mäuse vorübergehend unfruchtbar machen, die Spermien verlieren die Fähigkeit, zur Eizelle zu wandern. „Die Mäuse zeigen trotzdem ein normales Paarungsverhalten, und die volle Fruchtbarkeit kehrt am nächsten Tag zurück“, so Studienautor Buck. Demnächst sollen weitere Studien am Menschen folgen.
Zur Verhütung für den Mann gibt es verschiedenste Methoden und Ansätze. Eine weitere potenzielle Variante ist die Blockade von bestimmten Kaliumkanälen an den Spermien. In vitro konnte die Methode vielversprechende Ergebnisse erzielen, wie Forschende aus Belgien und den USA im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) berichten.
Konkret geht es bei der Hemmung um den Kaliumkanal SLO3: Er ist essenziell für die Hyperpolarisation der Spermien, kurz bevor sie mit der Eizelle verschmelzen. Außerdem wird ihm eine wesentliche Rolle bei der Fortbewegung der Spermien zugeschrieben. Eine Inhibition dieses Kanals könnte damit als potenzielle Verhütungsmethode in Frage kommen. Allerdings stehen die Forschungen dafür noch ganz am Anfang. Bislang handelt es sich lediglich um erste Hinweise aus dem Labor – wie die Inhibition letztlich am Menschen wirkt, ist noch unklar. Auch hier sind für weitere Daten zunächst größere Studien erforderlich.
Ein weiterer Kandidat ist der Wirkstoff YCT529. Der Inhibitor für die Retinsäurerezeptoren wird als potenzielles nicht-hormonelles Pharmazeutikum in der Pille für den Mann diskutiert. Im Tierversuch mit Mäusen konnte eine Schwangerschaft zu 99 Prozent verhindert werden. Aufgrund dieser positiven Ergebnisse sollen schon im nächsten Jahr Studien für Tests am Menschen beginnen.
Bei der Spermatogenese spielt Retinsäure als eine Form von Vitamin A eine besondere Rolle. Die hormonell aktive Form der Retinole beeinflusst durch die Spermatogenese die Fertalität. Mit YCT529 gelang es Forscher:innen, das RAR-α-Gen in männlichen Mäusen zu blockieren, was schon nach vier Wochen Anwendung zur Sterilität führte. Entscheidender Vorteil: Die Fertilität konnte bereits vier bis sechs Wochen nach Absetzen des Wirkstoffes vollständig wieder hergestellt werden. Zudem löst der neue Verhütungswirkstoff kaum Nebenwirkungen aus. Profiliert sich YCT529 in den für 2023 geplanten Studien, könne laut den Wissenschaftler:innen bald mit der Pille für den Mann gerechnet werden.
Bisherige Verhütungsmethoden konzentrieren sich auf den weiblichen Körper. Viele Frauen sind sehr unzufrieden mit der konventionellen Verhütung per Hormoneinnahme und wünschen sich Alternativen, wie zum Beispiel eine Umfrage der AOK Bayern ergab: Frauen nutzen der Auswertung zufolge seltener die Antibabypille als Verhütungsmethode als noch vor knapp zehn Jahren. Hatten Ärzte 2013 noch 56 Prozent der jungen Frauen im Freistaat die Pille verordnet, seien es im vergangenen Jahr nur noch 40 Prozent gewesen, wie aus der Analyse hervorgeht.
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