Seit nunmehr drei Jahren ist die Pille danach rezeptfrei. Noch heute ist der OTC-Switch umstritten und sorgt für erhitzte Gemüter und offene Fragen. Apothekerin Dr. Ute Koch hat im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe für den Generikahersteller Aristo ein Resümee gezogen.
Drei Jahre nach der Entlassung aus der Rezeptpflicht herrsche bei den Laien zwar eine breite Akzeptanz, aber noch immer viel Unwissen, so Koch. Die Apothekerin bezieht sich auf eine Forsa-Umfrage mit mehr als 1000 Frauen zwischen 20 und 40 Jahren. Das Ergebnis zeigt: Im Jahr 2018 gibt es Aufklärungsbedarf. Jede vierte Frau weiß noch immer nicht, dass die Notfallverhütung rezeptfrei ist – wobei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren besser informiert sind. Unsicherheiten gibt es auch in Bezug auf die Wirkweise der Notfallkontrazeptiva. Zwar wissen inzwischen 55 Prozent – und somit 10 Prozent mehr als im Vorjahr –, dass die Pille danach den Eisprung verschiebt. Jedoch glauben 37 Prozent, dass die Notfall-Pille abortiv wirkt – das sind nur 10 Prozent weniger als 2016.
Die Umfrage zeigt aber auch, dass den Frauen Langzeiterfahrungen zu den Wirkstoffen wichtig sind. 90 Prozent geben an, darauf Wert zu legen. In den Apotheken stehen zwei Wirkstoffe bereit. Zum einen das generische Levonorgestrel (LNG), das bereits seit 1979 als Notfallkontrazeptivum auf dem Markt ist. Der zweite Wirkstoff ist Ulipristal (UPA) und ist seit neun Jahren am Markt. Laut Koch ist keiner der beiden Arzneistoffe in puncto Wirksamkeit in den ersten drei Tagen nach dem ungeschütztem Geschlechtsverkehr über- beziehungsweise unterlegen, sofern sie so schnell wie möglich eingenommen werden. LNG kann maximal drei Tage, UPA maximal fünf Tage nach dem ungeschütztem Verkehr geschluckt werden.
LNG zeige jedoch einige Vorteile im Vergleich zu UPA. CYP3A4-Induktoren wie Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin oder Phenobarbital), Tuberkulosemittel (Rifampicin, Rifabutin), HIV-Medikamente (Ritonavir, Efavirenz), Antimykotika (Griseofulvin) oder Johanniskraut können den Plasmaspiegel von LNG (um bis zu 50 Prozent) und UPA (um bis zu 90 Prozent) deutlich senken. Daher wird empfohlen, zwei Tabletten (entsprechend 3 mg) LNG einzunehmen, wenn in den letzten vier Wochen ein CYP3A4-Induktor eingenommen wird. Die Einnahme von UPA wird hingegen nicht empfohlen.
Koch weist zudem darauf hin, beide Wirkstoffe nicht miteinander zu kombinieren, da sich die Wirkung aufheben würde. Ist eine zweite Einnahme der Notfall-Pille erforderlich, weil innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme erbrochen wurde, sollte ebenfalls nicht auf den anderen Wirkstoff gewechselt werden. UPA ist ein selektiver Progesteron-Rezeptor-Modulator. Unterschiede gibt es auch zur Einnahme in der Stillzeit. Unter LNG ist eine Stillpause von acht Stunden einzuhalten, unter UPA ist es eine Woche, für Koch nicht vertretbar.
Für die Apotheker hat Koch einen Rat: „In jedem Fall sind Einfühlungsvermögen und Verständnis frei von den persönlichen Moralvorstellungen gefragt. Die moralischen Bedenken muss jede Frau selbst haben, nicht der Apotheker.“ Viele Mädchen seien noch sehr jung und eine ungewollte Schwangerschaft eine Katastrophe. Außerdem sei der Wunsch nach der Notfall-Pille der erste Kontakt mit der öffentlichen Apotheke und könne die Basis für eine lange Kundenbindung sein. Die Apothekerin weist die Kollegen außerdem darauf hin, dass die Notfallkontrazeptiva zu jedem Zeitpunkt im Zyklus eingenommen werden können.
„Der Zeitpunkt des beginnenden LH-Anstiegs beziehungsweise des Eisprungs kann in der Apotheke nicht ermittelt werden. Daher spielt es keine Rolle, an welchem Tag im Monatszyklus der ungeschützte Geschlechtsverkehr erfolgt ist. Vielmehr ist von Bedeutung, wie viele Stunden beziehungsweise Tage dieser zurückliegt.“ Koch gibt zudem zu bedenken, dass etwa 80 Prozent der Frauen einen unregelmäßigen Zyklus haben. Das fertile Fenster beginne zudem fünf Tage vor dem Eisprung, weil die Spermien im Körper der Frau bis zu fünf Tage überleben können und befruchtungsfähig sind. Das Fenster endet einen Tag nach dem Eisprung, da das Ei bis zu 24 Stunden befruchtungsfähig ist. „Ein Zyklus von 28 Tagen gibt es nur im Lehrbuch, im richtigen Leben sieht es anders aus.“
Erfreulich ist laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) jedoch, dass der Gebrauch der Notfall-Pille verantwortungsbewusst ist und nicht als potentieller Ersatz für Verhütungsmethoden gesehen wird. Vier von zehn jungen Frauen geben an, sich um die Nebenwirkungen der Arzneimittel Gedanken zu machen.
APOTHEKE ADHOC Debatte