Die Bundesapothekerkammer (BAK) hält sich mit Empfehlungen zur Abgabe der Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) bei möglichen Interaktionen zurück. Der Hersteller HRA Pharma empfiehlt den Apothekern, die Kundin bei gleichzeitiger Einnahme eines CYP3A4-Induktors generell an den Arzt zu verweisen – nachdem sie die erste Tablette eingenommen hat.
Bei gleichzeitiger Einnahme von Antiepileptika, Antimykotika, Virostatika und Tuberkulostatika sowie Johanniskraut-Präparaten kann die Wirkung der Pille danach durch schnelleren Abbau deutlich reduziert sein. Die Interaktion ist bis zu vier Wochen nach Absetzen der Dauermedikation möglich.
Gerade bei einigen dieser Patientinnen ist eine ungewollte Schwangerschaft unbedingt auszuschließen. Antikonvulsiva können teratogene Effekte haben; bei einer HIV-Infektion müsse eine Schwangerschaft besonders medizinisch betreut werden. „Daher liegt es uns am Herzen, dass diese Kundinnen nach dem Beratungsgespräch in der Apotheke zusätzlich ärztlich betreut werden“, schreibt HRA in einer Stellungnahme.
Die betroffenen Frauen sollten daher laut HRA generell einen Arzt aufsuchen. Zu Verzögerungen darf dies laut Hersteller aber nicht führen, da die möglichst frühzeitige Notfallkontrazeption essenziell sei, um dem Eisprung zuvorzukommen. Die Pille danach sollte entsprechend so schnell wie möglich eingenommen werden, um das akute Schwangerschaftsrisiko zu reduzieren. In der Praxis könne dann über weitere Maßnahmen wie das Einsetzen einer Kupferspirale oder die Einnahme einer zweiten Tablette entschieden werden.
Allgemeine Empfehlungen zur Dosisanpassung können laut HRA aufgrund der Datenlage nicht gegeben werden. Die Aussage, Ulipristal sei keine Alternative zu LNG, da die Wirksamkeit durch Enzyminduktoren noch stärker beeinträchtigt werde, entbehrten jedenfalls einer klaren wissenschaftlichen Grundlage.
Die entsprechenden Studien seien nicht direkt miteinander vergleichbar: UPA wurde mit Rifampicin verglichen, einem sehr starken CYP3A4-Induktor. Dagegen wurde die Studie zu LNG mit dem schwach bis moderat wirkenden CYP3A4-Induktor Efavirenz durchgeführt. Entsprechend wurde die LNG-Exposition nur um 50 Prozent beeinträchtigt, während die UPA-Exposition um das 10-Fache verringert wurde.
Im Apothekenalltag sind Kundinnen mit Epilepsie oder HIV laut HRA sehr selten. Bei einer Prävalenz von 1 Prozent habe im Durchschnitt nicht einmal jede zweite Apotheke in Deutschland einen solchen Fall in Verbindung mit Notfallkontrazeptiva pro Jahr. Apotheker und PTA hätten seit dem OTC-Switch im Frühjahr 2015 Patientinnen bei entsprechenden Wechselwirkungen fachgerecht geholfen, indem sie sie an den Arzt verwiesen hätten. „Dies wird sicher auch zukünftig erfolgreich gelingen.“
Gedeon Richter hatte – stellvertretend für alle Anbieter – in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über verminderte Plasmaspiegel bei der Anwendung von Levonorgestrel (LNG) und CYP-Induktoren informiert.
Wenn bis zu vier Wochen vor der Anwendung eines LNG-haltigen Notfallkontrazeptivums ein CYP3A4-induzierender Wirkstoff eingenommen wurde, kann dies zur Folge haben, dass das Notfallkontrazeptivum in der üblichen Dosierung von 1x1,5 mg nicht zuverlässig wirkt. In solchen Fällen sollte daher eine Kupferspirale eingelegt werden; der Eingriff ist bis zu fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr möglich. Falls dies nicht möglich ist, sollte die Dosis des Notfallkontrazeptivums verdoppelt werden auf 3 mg LNG.
Auf Nachfrage, wie die neuen Hinweise im BAK-Leitfaden berücksichtigt werden beziehungsweise ob und wann es eine Aktualisierung geben wird und wie sich die Apotheker bis dahin verhalten sollen, antwortete ein ABDA-Sprecher: „Die gestern veröffentlichte AMK-Meldung Nr. 39/16 enthält die wesentlichen Antworten auf Ihre Fragen.“
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